Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
tupfte den entstandenen Fleck mit
seinem Finger ab und erwiderte dann: „Doch, genau den meine ich. Ben Winter.
Das wäre super praktisch für dich, weil er in einer WG wohnt und, so sagte er
mir, auch noch ein Zimmer frei ist. Ein kleines zwar, aber immerhin.“
„Du hast schon mit ihm
gesprochen?“ Magdalenas Augen wurden immer größer.
„Ja, ich habe gestern mit ihm
telefoniert, als du ... nun, du warst ja danach erstaunlich schnell
eingeschlafen“, antwortete Adrian grinsend.
„Ben.“ Magdalena lehnte sich
zurück und versuchte sich vorzustellen, wie es wohl sein würde, mit Raffaels
Bruder in einer WG zu leben. Da sie aber vom WG-Leben keinerlei Vorstellungen
hatte, gab sie es schnell wieder auf. „Okay“, sagte sie knapp.
„Okay?“, Adrian gab ihr einen
schnellen Kuss auf die Wange. Eigentlich hatte er mit einer längeren Diskussion
gerechnet und sich in der Nacht und während der Fahrt mit der Fähre diverse
Argumente zurecht gelegt, um sie im Bedarfsfall davon zu überzeugen, dass dies für
sie die beste aller Lösungen sein würde. „Ich kann ihn also anrufen?“
Magdalena nickte und begann
wieder, an ihrem Eis zu schlecken. „Ja, ich habe zwar keine Ahnung, was da auf
mich zukommt, aber ... Ben scheint ein cooler Typ zu sein. Ist bestimmt lustig
in seiner WG.“
„Keine Ahnung“, bemerkte Adrian
achselzuckend, „ich war noch nie da. So dicke sind wir ja nicht befreundet,
auch wenn wir zusammen Basketball spielen. Ich glaube, die wohnen da zu Dritt.
Ist wohl auch ne Frau dabei. Ella heißt die, glaube ich. Und irgendein Typ, Söhnke
oder Sören oder so.“
„Und Ben hat wirklich nichts
dagegen, wenn ich da einfach mit einziehe?“
„Nee, der fand die Idee gut. Sag
ich doch.“ Adrian war selber verwundert gewesen, wie schnell Ben sich damit
einverstanden erklärt hatte, dass Magdalena Mitglied seiner WG wurde. Obwohl er
sie ja eigentlich gar nicht kannte. Ganz kurz nur hatte Ben gezögert, und dann
etwas überdreht geantwortet, dass er schon seit Längerem vorgehabt habe, die WG
zu erweitern, und da sei es doch ein schöner Zufall, dass Magdalena gerade eine
Bleibe suche.
„Und da kann ich schon heute
Abend hin?“
„Ja, ich hab gesagt, dass ich dich
heute Abend vorbeibringe. Ich kann bestimmt das Auto von meinen Eltern haben.“
„Wo wohnt Ben denn eigentlich?“
„In Rysum.“
„Rysum. Hm. Lass und ein wenig
ans Wasser gehen, ja?“, wechselte Magdalena unvermittelt das Thema und schob
sich den letzten Rest ihrer Waffel in den Mund. „Ich will mal sehen, wie warm
es schon ist.“
„Wie warm es schon ist?“, lachte
Adrian, sprang aber sogleich auf. „Bis vor ein paar Tagen hatten wir noch
tiefsten Winter. Wie warm wird es da wohl sein?“
„Ach, komm, sei keine
Spaßbremse!“ Magdalena nahm Adrians Hand, und Seite an Seite schlenderten sie
durch den Sand in Richtung Meer. Zu dieser Zeit hielt sich die Zahl der
Urlauber noch in Grenzen, nur ganz vereinzelt war irgendwo der ein oder andere
Spaziergänger auszumachen. Am Wasser angekommen, zog Magdalena Schuhe und
Strümpfe aus und streckte dann ganz vorsichtig ihren großen Zeh ins Wasser. „Iiiih“,
kreischte sie lachend auf, „das ist ja wirklich noch eiskalt!“ Dennoch ließ sie
im nächsten Moment beide Füße im eisigen Nass verschwinden.
„Sag ich doch“, murmelte Adrian
und machte keinerlei Anstalten, dem Beispiel von Magdalena zu folgen. Er war froh,
dass die Lufttemperatur bei milden 18 Grad inzwischen einigermaßen erträglich
war. Die Kälte des Wassers konnte ihm da getrost gestohlen bleiben.
„Sag mal, Lena“, meinte er
zögerlich, nachdem er ihr beim Spiel mit dem Wasser für eine Weile zugesehen
hatte, „fragst du dich eigentlich gar nicht, was bei euch zuhause gerade so
abgeht? Ich meine, so, wie du deinen Vater schilderst, muss er doch außer sich
sein vor Wut, dass du so einfach auf und davon bist.“
Bei diesen Worten umwölkte sich
Magdalenas Stirn. Für eine ganze Weile sagte sie nichts, sondern schürzte nur
immer wieder nervös die Lippen. „Ich will lieber gar nicht darüber nachdenken“,
sagte sie dann leise.
„Was meinst du, was er jetzt tun
wird?“, ließ Adrian nicht locker.
Magdalena zuckte mit den Achseln.
„Ich hoffe, dass er sich nach einem ersten Wutanfall wieder beruhigt hat.“
„Du solltest vielleicht mal deine
Mutter anrufen und fragen, ob alles okay ist“, gab Adrian zu bedenken.
„Mama.“ Unvermittelt traten
Magdalena Tränen in die Augen, und sie
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