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Lustbeweise

Lustbeweise

Titel: Lustbeweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurora Estella Alvarez
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half es wenig, es mir selbst zu besorgen.
    Am zweiten Adventssonntag überredete mich Hannes zu einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt. Die Innenstadt würde vermutlich völlig überfüllt sein, zumal das große Kaufhaus mit einem verkaufsoffenen Sonntag lockte. Da es jedoch recht kalt war, hatte ich gegen einen heißen Glühwein nichts einzuwenden.
    Gegen halb sechs war ich mit Hannes an einem der Stände nahe des Kaufhauses verabredet. Ungeduldig schaute ich auf meine Uhr. Die zeigte bereits 17.30 Uhr an, doch von Hannes war nichts zu sehen. Typisch, dachte ich ärgerlich, erst drängeln und dann selbst nicht in der Lage sein, pünktlich zu kommen. Langsam wurde mir kalt und so beschloss ich, mir schon einmal einen Glühwein zu bestellen. Aus einem Glühwein wurden zwei aus zwei schließlich drei Tassen. Vergeblich versuchte ich, Hannes auf seinem Handy zu erreichen: Er hatte seine Mailbox angeschaltet.
    Wütend wollte ich mich auf den Heimweg machen. Ich steuerte geradewegs auf die Bushaltestelle zu, lief jedoch zunächst an einem der hell erleuchteten Schaufenster vorbei. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen. Zwischen Deko-Geschenken und einem kitschig geschmückten Tannenbaum stand eine Schaufensterpuppe in einem Engelskostüm, die haargenau der Frau aus meinen erotischen Fantasien glich. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Puppe ein weißes Engelskostüm mit Flügeln trug. Ich fixierte das Gesicht der Frau und glaubte einen Moment lang ein Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben. Ungläubig schüttelte ich den Kopf. War ich so betrunken, dass meine Wahrnehmung getrübt war?
    Anstatt mich abzuwenden und so schnell wie möglich nach Hause zu gehen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, steuerte ich geradewegs auf den Eingang des Kaufhauses zu. Ich konnte mich gar nicht dagegen wehren, es schien, als hätte ich die Kontrolle über meinen Körper verloren. Zielstrebig trugen mich meine Füße in die Richtung des Schaufensters, in dem die Engelsfrau gestanden hatte. Dort angekommen musste ich jedoch feststellen, dass die Puppe verschwunden war. Irritiert sah ich mich um. Wie konnte eine Schaufensterpuppe einfach in Sekundenschnelle verschwinden? In meiner Verwirrung wandte ich mich an eine Verkäuferin, die in der Nähe stand.
    "Entschuldigung, wo ist der Engel, der eben noch im Schaufenster stand?"
    Die Dame starrte mich genervt an und erwiderte ungeduldig:
    "Ich weiß nicht, was Sie meinen. Wir haben gar keine Engel in unseren Schaufenstern, nur einen Tannenbaum und mehrere Rentiere."
    Die Verkäuferin schaute demonstrativ auf ihre Uhr und fuhr dann in gereiztem Ton fort:
    "Sie sollten Ihre Einkäufe jedoch langsam beenden - wir schließen in etwa zehn Minuten."
    Das konnte doch nicht sein! Ich hatte die Frau ganz deutlich vor mir gesehen!
    Ich drehte mich um und nahm im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Dort war er, mein geheimnisvoller Engel. Verführerisch lächelnd zwinkerte er mir zu und eilte in Richtung Möbelabteilung. Ohne darüber nachzudenken, nahm ich die Verfolgung auf. Ich ignorierte kurzerhand die Menschenmassen, die an die Kassen und zum Ausgang strömten, und hastete der geheimnisvollen Frau hinterher, die längst ein Feuer in mir entzündet hatte, was sich nicht löschen ließ. Ich musste einfach herausfinden, was es mit ihr auf sich hatte. Meinen Verstand schaltete ich einfach aus: Vernünftig war ich mein ganzes langweiliges Leben lang gewesen und konnte es später wieder sein!
    Ich blieb kurz stehen und schaute mich suchend um. Wo hatte sie sich jetzt schon wieder versteckt? Dann sah ich sie plötzlich wieder. Lady Geheimnisvoll saß auf einem riesigen Wasserbett in der hintersten Ecke der Möbelabteilung. Seltsam, dachte ich, seit wann steht das denn hier?
    In diesem Moment beobachtete ich, wie einer der Sicherheitsangestellten die wenigen Kunden, die das Kaufhaus noch nicht verlassen hatten, bat, in Richtung Ausgang zu gehen. Die junge Frau auf dem Wasserbett ignorierte er jedoch völlig, so als sei sie gar nicht da. Reflexartig versteckte ich mich hinter einem großen Paravent, der neben dem Bett stand. Mein Herz klopfte bis zum Hals, doch der bullige Typ hatte mich anscheinend nicht bemerkt. Die Möbelabteilung leerte sich nun ganz und die Geräusche wurden immer leiser. Nach einer gefühlten Ewigkeit ging schließlich das Licht aus.
    Die geheimnisvolle Frau saß immer noch auf dem Bett und kehrte mir den Rücken zu. Im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung, welches

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