Lustig, lustig, tralalalala
einem doch sowieso die ganze Zeit, dass Models nicht mehr in sind.
Clemens jedenfalls mag meine Kurven, auch wenn er manchmal zu mir sagt, ich soll nicht so viel essen, sonst würde ich irgendwann mal so aussehen wie Sybille, die mit den Jahren auseinandergegangen ist wie ein Hefekloß und gar nicht mehr weiß, wie eine Boutique oder ein Friseur von innen aussieht.
«Wenn Sybille die Treppen hoch- oder runtergeht, denkt man, ein Elefant befindet sich im Haus», sagt Clemens. «Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich es ihr sage. Dieses Weihnachten noch. Das muss ich durchhalten. Die Kinder.»
Als das Telefon klingelt, bekomme ich einen Riesenschreck und freue mich gleichzeitig. Wer sollte mich um diese Uhrzeit anrufen außer Clemens?
«Ja?»
«Lena, du musst mir helfen!»
Es ist meine Freundin Ellen. Wir haben uns in der Redaktion kennengelernt, also sind wir eigentlich Kolleginnen, aber mit der Zeit eben Freundinnen geworden. Im Gegensatz zu mir ist Ellen der reinste Wirbelwind, und es vergeht kein Abend, an dem sie nicht unterwegs ist, weil sie es zu Hause so langweilig findet. Und sie lernt ständig neue Leute kennen, was mich ganz wuschig macht. Mir reichen ein paar gute Freunde, ich muss nicht ununterbrochen ausgehen.
«Was gibt es?»
«Du hast doch bestimmt heute Abend nichts vor», sagt Ellen klug, denn sie kennt meine Situation.
«Nicht wirklich», lautet demzufolge auch meine Antwort. Wenn sie vorbeikommen will, gut, dann können wir zusammen das Perlhuhn essen. Ich muss die Soße noch machen, aber das kann ich aus dem Effeff.
«Kannst du in einer halben Stunde in Uhlenhorst sein?», fragt Ellen aufgeregt.
«Nein.» Ich kann ja die Wohnung nicht verlassen. Wenn Clemens anruft und ich bin nicht da, dann wäre das eine mittlere Katastrophe. Im Normalfall könnte ich ihn natürlich jetzt anrufen oder ihm eine SMS schicken, aber das darf ich nicht. Ich darf gar nichts. Wegen Sybille.
«Er kommt doch sowieso nicht», argumentiert Ellen. «Und du kannst dich nützlich machen.»
«Womit denn?» Soll ich als Mietköchin engagiert werden?
«Es herrscht akuter Weihnachtsmann-Notstand», bekomme ich erklärt. «Nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland. Wegen der Grippewelle. Deswegen hat der Mietweihnachtsmann bei meiner Freundin absagen müssen, er hat fastvierzig Grad Fieber, der Arme, und ein anderer ist nicht zu bekommen. Jetzt steht Maike da mit den Kindern und tausend anderen Bekannten, die den Heiligen Abend mit ihr feiern wollen.»
«Kann denn nicht einer der anwesenden Väter …», beginne ich, werde aber abrupt unterbrochen.
«Keine Chance», sagt Ellen mit Nachdruck. «Das würde auffallen, wenn einer der Väter plötzlich fehlt. So klein sind die Kinder nun auch wieder nicht. Komm, sag ja, du hast eine schöne dunkle Stimme, und was am wichtigsten ist, du bist gesund und hast Zeit.»
Da hat sie recht.
Ich überlege.
Na ja, allzu lange wird es ja nicht dauern, ein paar dumme Sprüche aufzusagen, die Kinder zu fragen, ob sie auch brav waren, und dann die Geschenke zu verteilen. Und sollte Clemens ausgerechnet in dieser Stunde, denn länger werde ich nicht wegbleiben, bei mir anrufen, dann hat er eben Pech gehabt. Aber vielleicht ruft er ja auch gar nicht an, sondern kommt einfach vorbei, was fast noch besser wäre, denn er hat mittlerweile einen Schlüssel, und ich kann ihm eine Nachricht hinterlassen. Um ganz ehrlich zu sein – ich weiß, dass er sowieso nicht kommen wird. Deswegen traue ich mich nun, diesen waghalsigen Schritt zu tun. Zum ersten Mal während unserer Beziehung traue ich mich, das Haus eigenmächtig zu verlassen.
«Gut. Ich komme», sage ich großmütig, und Ellen freut sich.
Behrendt
steht auf dem Klingelschild an einem netten Mehrfamilienhaus. In einem ebenfalls netten Vorgarten haben irgendwelche Kinder unbeholfen einen Schneemann gebaut, der schon ein wenig umgekippt ist. Durch die Fenster im Erdgeschosssehe ich Menschen in einer Küche, und ich kann gedämpft ihr Lachen hören. Irgendwo dudelt Weihnachtsmusik.
Nachdem ich geklingelt habe und durch das Treppenhaus in den zweiten Stock laufe, riecht es überall verführerisch nach Braten und Rotkohl.
Ellen steht in der Wohnungstür und hält den Zeigefinger vor die Lippen, dann zieht sie mich rein.
«Die Kinder dürfen dich ja nicht sehen, und du musst dich noch umziehen.» Sie reicht mir ein rotweißes Mantelkostüm, einen Bart, und nachdem ich alles angezogen, mir noch ein Kissen
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