Lustig, lustig, tralalalala
soll später in meiner Wohnung stehen?»
Lena starrte mich an, als hätte ich gefragt, ob Leif seine Tanne später zum Frischhalten in einen selbst vollgesabberten Eimer stellen wird. «Aber natürlich, mein Schatz! Wenn wir bei dir ein bisschen umräumen, dann ist dort in der Ecke, wo jetzt der Fernseher steht, ausreichend Platz. Du wirst schon sehen. Aber vor allem hast du einen Balkon, auf dem wir den Baum bis zum Heiligen Abend lagern können.»
Hatte nur wenig Zeit, mir Bedeutung der Worte
umräumen, Fernseher wegstellen
und
Balkonlagerung
genau durch den Kopf gehen zu lassen, denn Lena holte gleich darauf zum nächsten Keulenschlag aus: «Ich hatte ja schon Angst, dass du Heiligabend zu deinen Eltern ins Sauerland fahren willst. Dann hätten wir das Baumschlagen nämlich abblasen müssen.»
DAS also, wurde mir schlagartig klar, war der Grund für Lenas feuchte Augen. Sooo gemein!
Wurde in den folgenden drei Stunden von Lena mit Vollgas von Baum zu Baum gejagt. Und jedes Mal, wenn ich gerade die Säge ansetzen wollte, fiel ihr noch ein besser gewachsener Baum auf. Als wir trotz aller Unwegsamkeiten endlich unsere Tanne gefunden hatten, ich zum x-ten Mal an diesem Tag mit meinen Chucks in eine Matschpfütze getreten war und meine Schrumpelfinger bereits anfingen, Raureif anzusetzen, tauchte die Gucci-Gang wieder auf. Unter den fachmännischen Tipps von Leif, der offenbar einer kanadischen Holzfällerangeberdynastie entsprungen ist, sägte ich dann auf wackeligen Beinen den ersten Baum meines Lebens. Wie man dabei die Säge am besten hält, was der Unterschied zwischen gewellten, gestauchten oder sogenannten geschränkten Sägeblättern ist und warum eine Nordmanntanne anders behandelt werden muss als eine Blautanne, waren nur ein paar der Klugscheißertipps, die die Gucci-Gang losließ, wenn sie mich ausnahmsweise mal nicht halbherzig anfeuerten.
Gerade als ich noch dachte, dass es ohne die Quasselidioten durchaus etwas gehabt hätte, der Frau meines Herzens einen Baum zu jagen – fiel er endlich. (Der Baum, nicht der Quasselidiot.) Unter lautem Gejohle riss Leif die Tanne vom Boden hoch, drehte sich mehrfach damit um die eigene Achse und vollführte eine Art idiotisches Freudentänzchen. Bei seiner letzten Drehung schlug er mich dann k. o. Also genau genommen bekam ich nur die Tannenbaumspitze ins Gesicht, konnte deswegen aber kurzzeitig nichts sehen, trat auf eine Baumwurzel, knickte um und ging zu Boden. Tausend halbherzige Entschuldigungen und einen supersüßen Kuss von Lena später stapfte ich dennoch tapfer – mit tauben Fingern, nasser Hoseund in Erwartung, dass nun endlich der gemütliche Teil des Tages beginnen würde, dem Bratwurststand entgegen. Aber Fehlanzeige. Leider bereits Feierabend! Kein Glühwein und keine Bratwurst. Dafür aber ewig andauerndes Festgezurre des Baums auf meinem Wagendach. Wie viele Kratzer der Lack dabei abbekommen hat, werde ich zum Glück erst morgen bei Tageslicht sehen können.
11. Dezember, Montag
Liege immer noch auf Lenas Couch und fühle mich, als würde das Salzsäurebad nun auch langsam meine Eingeweide zersetzen. Nase sondert unaufhaltsam Sekret ab, Füße spüre ich nur, wenn ich aufstehe, um zur Toilette zu gehen. Weil dann nämlich die Blase schmerzt, die ich mir beim stundenlangen Wandern im feuchten Schuh geholt habe. Mein linkes Auge ist so dick wie zwei Vanillekipferl, und die Schramme, die sich durch mein Gesicht zieht, hat etwas von einem Peitschenhieb. Will, dass Weihnachten ganz schnell vorbeigeht. Habe keine Ahnung, wie das mit dem DV D-Gucken über die Festtage wird, da ich erstens nur noch Umrisse erkenne und ich zweitens ja den Fernseher werde abbauen müssen, damit der Tannenbaum ein adäquates Plätzchen findet.
Bin dennoch sehr froh, dass ich bei Lena sein darf. Meine Wohnung wurde nämlich auf acht Grad heruntergekühlt, da wir dort ein Übergangslager für den Tannenbaum schaffen mussten. Balkon war dummerweise voll mit parkenden Fahrrädern, einer alten Waschmaschine und einem riesigen Bücherkarton von Jens, den er eigentlich längst abholen wollte.
Verbringe den Tag mit Zappen durchs Fernsehprogramm,Schlafen oder Naseputzen. Gegen 18 Uhr kommt die tollste Frau der Welt von der Arbeit, was ein echtes Highlight ist. Bin zu diesem Zeitpunkt leider schon zu schwach, um sie noch richtig zu drücken. Lena sehr besorgt. Sagt, wenn es mir morgen nicht bessergeht, würde sie ebenfalls zu Hause bleiben und sich um mich
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