Lustig, lustig, tralalalala
deswegen, weil ich weder bibel- noch kirchenfest bin.
22 Uhr 51. Wieder zu Hause. Sehr aufgewühlt wegen Kirchenbasar. Also, genau genommen nicht wegen Basar, sondern wegen Lenas Eltern. Und wegen Weihnachten.
Bin außerdem ein Riesenscheißlügner, aber der Reihe nach.
Weiß jetzt, warum Lena die pflichtbewussteste Frau der Welt ist. Hat sie von ihren Eltern geerbt. Ihr Vater, ein frisch pensionierter Silberkopf, ist perfekte Mischung aus kolumbianischem Drogenfahnder und weltberühmtem Hirnchirurgen. Langweilt sich jetzt schon und lässt deshalb auf Kirchenbasar den Chef raushängen. Strahlt eine Autorität aus, die mir Angst macht. Und die mich augenblicklich in die Arme von Lenas Mutter flüchten und mich ihr hemmungslos ausliefern ließ. Sie ist Typ Lady Di, nimmt alles mit einem Lächeln, ist aber eigentliches Familienoberhaupt. Zwanzig Minuten nach unserem Kennenlernen stand ich auch schon mit der Lady Di des Kirchenbasars hinter mit Plauener Spitzendeckchen dekoriertem Tapeziertisch und verkaufte selbstgebaute, selbstbemalte und selbst in Zellophan verpackte Lebkuchenhäuschen, die noch dazu allesamt mit einem selbstgeschriebenen Weihnachtsspruch versehen waren. Flunkerte mich durch den Nachmittag, indem ich vorgab, folgende Dinge gehörten zu mir wie die Luft zum Atmen:
regelmäßiges Sprechen von Tischgebeten vor den Mahlzeiten
Mitgliedschaft in den Vereinen CVJM, Rettet die BadSalzuflener Kreuzkirche und dem Melsungener Weihnachtsmarktkomitee.
ehrenamtliche Mitarbeit bei der Johanniter Unfallhilfe und den Hammelburger Domkatzen (erfunden) und den freiwilligen Alkoholikern (war ein Versprecher, hat aber keiner gemerkt)
Geflunker ging leider ziemlich bald nach hinten los. Als Lenas Drogenfahnder-Vater mit seiner Tochter von einem chefmäßigen Kontrollgang über den Basar zurückkehrte, trug Lady Di mein erfundenes Sozialengagement ihrem Mann vor und verhängte damit augenblicklich die Todesstrafe über mich. «Mein Junge», befahl der Silberschopf, «du kommst Weihnachten zu uns. Wo kämen wir denn hin, wenn wir unsere Helden des Alltags, wie du es offenbar bist, an Weihnachten allein ließen.»
Konnte nur schwer an mich halten, ihm nicht zu erzählen, dass ich den Heiligen Abend eigentlich leicht bekleidet zwischen nicht vorhandenem Kamin und Fernseher verbringen wollte, und zwar mit seiner Tochter.
Werde mich nun die komplette nächste Woche bei der Arbeit krankmelden müssen, da mir sonst nicht ausreichend Zeit bleibt, die christliche Weihnachtsbescherung bei Familie Lena durchzuplanen. Muss mindestens zwei Tischgebete, drei Weihnachtslieder und ein Gedicht auswendig lernen. Nicht zu vergessen die über Generationen in meiner Familie praktizierten Weihnachtsbräuche. Dann noch meinen Lebenslauf zwischen dem zehnten und siebzehnten Lebensjahr fälschen und Geschenke kaufen. Außerdem die DV D-Sammlung neu überarbeiten.
18. Dezember, Montag
Habe mich doch nicht krankgemeldet, da Lügen nicht zu meinem neuen sozialen Image passt. Googele stattdessen
Weihnachtsgeschenke für Kirchenbasaraktivisten.
Ergebnisse: null.
Lasse die Aktivisten weg und bin platt. Anzahl der Ergebnisse: 157. Hier die ersten fünf:
Selbstgemachtes (scheidet wegen Zeitmangel aus)
Foto in Glas (scheidet wegen Fotomangel aus)
PlayStation 4 (bin auf falscher Seite gelandet)
Gebetswürfel mit Anregungen für Tischgebete, Abendgebete, Morgengebete und Kinderlieder (haben Lenas Eltern vermutlich nicht nötig)
CD-RO M-Spiel
Mose
inklusive zusätzlicher Quizvariante für spannende Spiele. (Finde ich gute Idee, fürchte aber, dass das Quiz am Heiligen Abend schon zum Einsatz kommen könnte und meine christliche Unwissenheit enttarnt. Scheidet deswegen auch aus.)
Cliff Richard, Live-CD
Cliff Richard Live??? Schaue nochmal, aber ja, die meinen das ernst. Offenbar ist der Mann in diesen Kreisen beliebt. Allerdings, und das lässt mich an Seriosität dieser Seite zweifeln, blinkt jetzt am unteren rechten Rand ein Button auf (gleich neben Anzeige für erzgebirgische Volkskunst): «Sind Sie schlauer als Paris Hilton? HIER geht es zum Test.»
Will das aber lieber nicht wissen.
19. Dezember, Dienstag
O Gott, nur noch fünf Tage bis Weihnachten! Lena sagt, ich solle mir wegen der Geschenke für ihre Eltern nicht solchen Stress machen. Sie seien sehr genügsam und hätten außerdem schon alles. Googele
Weihnachtsgeschenke für Genügsame, die schon alles haben,
und finde heraus, dass es zwar genügsame
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