Lustig, lustig, tralalalala
selbst wenn die eventuell nicht original von Scooter sind, dann sind sie doch zumindest sehr scooteresk.
Nordenhamer sind keine auf diesem Weihnachtsmarkt. Außer mir ist überhaupt kein Besucher auf diesem Weihnachtsmarkt.An einem Adventssamstagnachmittag. Fühle mich den vier Attraktionen gegenüber irgendwie verpflichtet. Die muss ich jetzt alle vier ganz alleine durchbringen. Kaufe auch eine Waffel und einen alkoholfreien Glühwein mit Schuss. Gerne hätte ich mit Glühwein-Rosi ein wenig über den Sinn oder Unsinn von alkoholfreiem Glühwein mit Schuss philosophiert, aber wegen der Scooter-Beschallung hat Rosi ein paar Riesenkopfhörer auf, mit denen sie vermutlich noch wieder was anderes hört. Vermutlich irgendwelche Entspannungs- oder Meditationsmusik. Das würde zumindest das Tempo ihrer Bewegungen erklären. Wobei Tempo hier eigentlich das völlig falsche Wort ist. Nachdem ich, wegen der Umstände wortlos, auf mein eigentliches Wunschgetränk, den alkoholfreien Punsch, gezeigt hatte, zeigt sie nur kurz kopfschüttelnd auf den alkoholfreien Glühwein mit Schuss und bereitet ihn dann in sehr … sehr ruhigen, anmutigen, in höchstem körperlichem Bewusstsein ausgeführten Bewegungen zu. Nachdem sie ihn mir überreicht und das Geld kassiert hat, kehrt sie dann wieder in ihre meditative Grundfigur, dem «traumwachen Kranich im Auge des Sturms» zurück.
Ich hingegen fühle mich nun bereit für meine vierte Prüfung und will mir Schlittschuhe leihen. Der kleine, böse Mann bemerkt die Gefahr zu spät. Als ich plötzlich vor seiner Butze stehe und den Mund bewege, wird ihm wohl auch klar, dass ich mit ihm rede. Dann bewegt auch er den Mund. Wahrscheinlich unterhalten wir uns jetzt. Leider versteht man natürlich kein Wort, aber beide bewegen wir jetzt unsere Münder, und das ist ja das Wichtigste, dass man irgendwie miteinander redet. Nachdem wir so eine Weile beide angeregt unsere Münder bewegt haben, gibt er mir plötzlich ein Paar Schlittschuhe. Genau meine Größe. Keine Frage, rein fachlich kann ihm vermutlichals Schlittschuhverleiher kaum jemand das Wasser reichen. Ich gebe ihm wahllos ein paar Münzen aus der Hosentasche, er nickt.
Und dann, nur zwei Minuten später, laufe ich Schlittschuh. Zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren. Es gibt Dinge im Leben, die verlernt man einfach nicht. So wie Fahrradfahren oder ohne Besteck und Hände Spaghetti essen oder seinen Namen in den Schnee pinkeln. Schlittschuhlaufen gehört leider nicht dazu. Das bemerke ich, als ich nach zwei Schritten hinknalle, vier Meter übers Eis schlittere und dann in die Bande krache.
Als ich kurze Zeit später die Schuhe zurückgebe, sehe ich, wie der verbitterte, luftgetrocknete Mann tatsächlich lächelt. Richtig breit und herzlich. Dann macht er plötzlich die Musik aus, flüstert «Danke» und gibt mir die Leihgebühr zurück. «Ist schon in Ordnung, Sie haben die Schuhe ja kaum zum Draufstehen benutzt.»
Auch Rosi, Ewald und Didi nicken mir fröhlich zu, als ich mich über den Marktplatz zurückschleppe: «Das war mal eine schöne Abwechslung. Wollen Sie noch eine Weihnachtswurst? Geht aufs Haus!»
Ich lehne tapfer lachend ab, und die drei winken mir zum Abschied. Ich bin schon rund fünfzig Meter vom Markt entfernt, als ich plötzlich höre, wie «Hyper, Hyper!!!» wieder aufgedreht wird.
Horst Evers
stammt aus Evershorst bei Diepholz in Niedersachsen und lebt in Berlin seit der Zeit, als der Westen der Stadt noch eine Insel war. Er studierte Germanistik und Publizistik, jobbte als Taxifahrer und Eilzusteller bei der Post. Bereits während des Studiums schrieb er erste Texte, die er in der Mensa vortrug. 1990 gründete er zusammen mit fünf Freunden die Textleseshow «Dr. Seltsams Frühschoppen», die bald zur erfolgreichsten Lesebühne der Stadt wurde. Inzwischen hat er mehrere lustige Bücher und CDs veröffentlicht.
Mischa-Sarim Vérollet
Weihnackten
A kihabara ist die
elektrische Stadt
. Es gibt Menschen, die behaupten, dass man sie gesehen haben muss, sonst war man nicht in Tokio. Es gibt wiederum Menschen, die behaupten, dass man sie nicht gesehen haben muss, wenn man weiterhin sehen will. Zu Letzteren gehöre ich.
Akihabara, die elektrische Stadt, ist ein Viertel Tokios, das beinahe ausschließlich aus Elektronikfachmärkten besteht. Ein Paradies für Zocker und Elektronik-Freaks aller Art. Mir waren solche Spielsachen eher egal, meine letzte Konsole hatte drei Buchstaben gehabt, die graue Kiste war
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