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Lusttropfen (German Edition)

Lusttropfen (German Edition)

Titel: Lusttropfen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Pink
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sie. „Es ist schwer, nicht ständig daran zu denken, aber Sie haben Recht. Es ist vorbei. Wir sind junge, moderne Menschen und sollten die Vergangenheit hinter uns lassen.“
    Ich atmete auf und schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Wenngleich ich noch immer die Skepsis in ihren Augen lesen konnte, so war sie doch bemüht, ihren Worten Taten folgen zu lassen.
    „Wie heißen Sie?“, wollte sie wissen.
    „Johann. Johann Steiger.“
    „Freut mich, Johann Steiger aus München. Ich bin Catherine Bouché, und ich lebe in Paris.“
    „Angenehm, Mademoiselle Bouché“, gab ich lächelnd zurück und reichte ihr meine Hand.
    „Oh, ich bin eine Madame“, sagte sie schmunzelnd. „Mein Mann ist allerdings ständig unterwegs, dass ich mir oft nicht unbedingt verheiratet vorkomme. Wir waren geschäftlich in Istanbul – das heißt, er war geschäftlich dort. Ich bin meist nur schmückendes Beiwerk. Eigentlich wollten wir gemeinsam mit dem Zug zurück fahren, aber er wurde aufgehalten und, wie soll ich sagen, unser Abschied endete im Streit.“
    Mir war es, als hätte mir jemand in den Magen geboxt. Verheiratet! Ich schalt mich für meine Dummheit, etwas anderes angenommen zu haben. Eine so bildschöne Frau blieb nicht lange alleine.
    „Was ist mit Ihnen, Monsieur Steiger? Sind Sie verheiratet?“ Catherine steckte sich eine neue Zigarette an.
    „Nein. Mich wollte noch keine haben.“
    Wir lachten, doch dann wurden ihre Katzenaugen wehmütig.
    „Seien Sie darüber nicht verzweifelt, Monsieur Steiger. Die Ehe ist zuweilen nicht unbedingt der Himmel auf Erden. Mein Mann ist wesentlich älter als ich. Ich war jung und naiv, als ich ihn kennenlernte. Der Krieg hat meiner Familie sehr zugesetzt, meine Mutter sah sich plötzlich alleine mit drei Töchtern. Wir hatten kaum Geld und so nahm ich eine Stelle in einer Fabrik an. Ich stamme ursprünglich aus der Bretagne und komme aus einfachsten Verhältnissen. Meinem Mann gehört die Fabrik – wie unzählige andere auch. Ich arbeitete zwei Jahre dort, als ich ihn kennenlernte. Den großen Chef. Den Mann von Welt, der vom Krieg profitiert hatte und reich geworden war.“ Sie zog an ihrer Zigarette und es schien mir, als würde sie ihre nächsten Worte sehr genau abwägen. „Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, dass er ausgerechnet mir, einem rotwangigen, siebzehnjährigen Mädchen, Aufmerksamkeit schenkte. Ich wusste damals nicht, dass ich nur eine von vielen war. Aber mich wollte er heiraten, und ich überlegte nicht lange. Ich sah nur seinen Wohlstand. Benebelt von dem Wunsch, ein besseres Leben zu führen, stimmte ich seinem Antrag zu. Wenn ich heute darüber nachdenke … Was wäre so schlimm an einem bescheidenen Leben gewesen? Meine Eltern waren auch immer glücklich, auch wenn sie nicht das große Geld besaßen.“
    Ich hing an ihren Lippen. Ihre Geschichte stimmte mich traurig. Zu gerne hätte ich Catherine in meine Arme geschlossen und ihr alles Leid von der Seele genommen.
    „Entschuldigen Sie“, meinte sie verlegen. „Ich wollte Sie nicht mit meiner deprimierenden Lebensgeschichte langweilen.“
    „Das tun Sie nicht, Catherine“, meinte ich aufrichtig und nippte an meinem, inzwischen kalt gewordenen, Kaffee. Angeekelt verzog ich das Gesicht, was Catherine mit einem aufrichtigen Lachen quittierte.
    Der Speisewagen füllte sich immer mehr. Hungrig drängten sich die Menschen an die Tische und es wurde extrem unruhig.
    „Fassen Sie das jetzt bitte nicht als frivol auf, Monsieur Steiger, aber hätten Sie Lust, mich in mein Abteil zu begleiten? Wir könnten uns etwas zu trinken mitnehmen und uns weiter unterhalten. Es wird mir hier ehrlich gesagt zu laut. Außerdem“, fügte sie flüsternd und zu mir gebeugt hinzu, „befürchte ich, dass man uns von unserem Tisch zerrt, wenn wir nicht bald Platz machen für die ausgehungerte Meute.“
    Ich lachte und stimmte zu. Wir bestellten eine Flasche Champagner und eine Kleinigkeit zu essen, und ich folgte Catherine zu ihrem Schlafabteil. Erstaunt stellte ich fest, dass es direkt neben meinem lag und nun wusste ich auch, wer am Nachmittag auf Französisch geflucht hatte.
    Kaum waren wir in dem Abteil, zog sie ihre weißen Pumps aus und atmete befreit auf. Ich konnte nur erahnen, was sie fühlte. Ich fragte mich oft, wie Frauen es aushielten, den ganzen Tag in diesen hochhackigen Schuhen herumzulaufen. Mein Blick glitt zu Catherines zierlichen Füßen. Die Zehennägel waren ebenso wie die Fingernägel in einem satten Rot

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