Lustvolles Erwachen
nicht wahr?«, fragte die elegante Dame mit argwöhnischem Unterton in der Stimme, als Grace sie um eine vollständige Garderobe bat.
»Ich bin ihre Freundin«, antwortete Grace und versuchte, der Verachtung der kleinen Französin mit ihrer Größe zu begegnen. »Man kennt mich auch als Mrs. Diccan Hilliard.«
Die Modistin stieß ein überraschtes Lachen aus und wandte sich ab, um zu gehen.
»Sie könnten natürlich auch auf die Rückkehr der Duchess of Murther nächste Woche warten, um sie persönlich zu fragen«, sagte Grace leise zu der Modistin. »Aber ich bezweifle, dass diese Verzögerung Mr. Hilliard besonders gefallen würde. Er war immerhin derjenige, der mir Ihr Geschäft empfohlen hat.«
Das hatte er selbstverständlich nicht getan. Doch wenn es etwas gab, das Grace nach all den Jahren gelernt hatte, in denen sie Nahrungsmittel hatte beschaffen müssen, dann war es, sich durchzusetzen. Zumindest gelang es ihr, Madame dazu zu bringen, stehen zu bleiben.
»Selbst mir ist klar, dass es einen Unterschied zwischen der Garderobe der Tochter eines Soldaten und der Garderobe der Frau eines Diplomaten gibt«, fuhr Grace fort. »Ich habe gehofft, Sie könnten mir raten, wie ich das am besten in Angriff nehme.«
Madame drehte sich wieder um, eine Augenbraue ungläubig hochgezogen. Grace schenkte dem jedoch keine Beachtung. Ihr Blick hing an einem Stoffballen ziemlich weit oben in Madames Regal. Es war ein leuchtendes Orange – die Farbe des Sonnenuntergangs in der Wüste. Der Ton war so strahlend, dass ein Kleid daraus wie eine Dschungelblume in einem Raum mit Stiefmütterchen wirken würde. Fast konnte sie die Säure auf ihrer Zunge schmecken. Und daneben lag ein kräftiges Blau, das wie die sich ständig verändernden Farbtöne des Karibischen Meeres aussah. Es waren glühende, außergewöhnliche Farben, bei deren Anblick sie an Abenteuer und Freude denken musste.
»Die«, sagte Madame, pure Verachtung in der Stimme, »nicht.«
Sanft lächelte Grace sie an. »Natürlich nicht.« Und wieder schob sie ihre Hoffnungen beiseite.
Es brauchte zwei Tage voller Anproben und Beratungen, aber die Bestellung umfasste alles – von den Unterkleidern bis hin zu Kleidern für gesellschaftliche Anlässe. Alles war in Brauntönen, in Grün und Blau gehalten. Und es waren alles Uniformen, die Respekt einflößen sollten. Angemessen für eine Frau der feinen Gesellschaft, die nie von den einzigartigen Farben Indiens in Versuchung geführt worden war.
Nach der letzten Anprobe war Grace gerade auf dem Weg nach draußen, als Madame ihren Arm ergriff.
»Ich habe etwas Besonderes für Sie«, sagte die Französin leise und beugte sich zu ihr, als ginge es um ein Staatsgeheimnis. »Etwas, um einen ganz speziellen Gentleman zu verführen. In der Farbe einer mondlosen Nacht, sanft auf Ihrer blassen Haut. Aus der schönsten luftigen Seide – Schein und Verlockung.«
Diese Worte reichten, und Grace konnte es vor sich sehen. Sie konnte vor ihrem inneren Auge sehen, wie sie diesen Hauch von Nichts trug, den Madame ihr zeigte. Fast konnte sie das Flüstern der Seide auf ihrer Haut spüren, wenn Diccan es ihr abstreifen und sie der kühlen Luft und seinen heißen Berührungen aussetzen würde. Sie wusste, dass sie errötete, denn Madame lächelte.
»Eine Frau muss jeden Vorteil nutzen, oder? Vor allem, wenn es um einen Mann wie Monsieur Hilliard geht.«
Aus den Augenwinkeln bemerkte Grace, wie ein verstohlenes Lächeln über das Gesicht ihrer Zofe huschte. Und sie wusste, dass es nur eine Antwort gab.
»Ja«, sagte Grace, »das muss sie.«
Kapitel 7
Grace versuchte, sich in den folgenden zwei Tagen zu beschäftigen und abzulenken, doch nachdem Madame ihr das Negligé gezeigt hatte, ging ihr das Bild nicht mehr aus dem Kopf. Es verfolgte sie zu Hatchards Buchladen und zum Hutmacher. Es folgte ihr die Gänge des Militärkrankenhauses hinunter, in dem sie freiwillig Dienst leistete. Es folgte ihr bis in den Schlaf. Was auch immer sie tat, sie hörte das verheißungsvolle Flüstern von Madame Fanchon, dachte über die Magie in einem einfachen Stück Stoff nach und ertappte sich dabei, auf ein Wunder zu hoffen.
Als Diccan schließlich zurückkehrte, war sie gespannter als eine Violinensaite.
»Nun, Grace«, begrüßte er sie und schlüpfte aus seinem Umhang, während er in den Salon ging, »ich sehe, dass du noch immer auf Kate wartest.«
Grace reagierte gereizt. »Es wird schön, sie wiederzusehen, aber ich hatte auch so genug zu
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