Lustvolles Erwachen
hatte. Er sollte sich eigentlich mit ihr unterhalten, lächeln und ihr zeigen, wie der Abend sich weiterentwickeln sollte.
»Ich glaube, dass deine Zofe dich schon erwartet«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
Grace spürte Verärgerung in sich aufsteigen und war überrascht über die Empfindung. Dieser schreckliche Kerl. »War sie wirklich schon mal mit einem Soldaten verheiratet?«, konnte sie sich nicht verkneifen zu fragen.
Diccan warf ihr einen flüchtigen Blick zu. »Das war sie. Du wirst nichts an ihr auszusetzen haben.«
Das hatte sie sehr wohl. Aber Grace wusste nicht, wie sie das vage Gefühl von Unsicherheit erklären sollte, das sie in Schroeders Nähe empfand. Also stand sie ohne ein weiteres Wort auf und verschwand in ihr Schlafzimmer. Dort traf sie wie versprochen auf Schroeder, die ihr ein besonders selbstzufriedenes Lächeln schenkte. Grace wollte sie zurechtweisen, als sie den Grund dafür bemerkte. Ausgebreitet auf dem hohen Himmelbett, lag das empörendste Kleidungsstück, das sie je gesehen hatte.
Es war in einem so dunklen Blau gehalten, dass nur die Bewegung die wahre Farbe verriet – wie der Schimmer auf dem Flügel einer Amsel.
Grace spürte, dass sie zitterte. » Sapristi «, hauchte sie beinahe ehrfürchtig.
»Wenn er bei diesem Anblick nicht hinsieht«, versprach Schroeder, »ist er schon tot.«
Grace konnte nicht atmen. Sie sollte dieses Ding anziehen? Sie würde fast nackt sein, etwas, an das sie nicht gewohnt war. In all den Jahren, die sie beim Militär verbracht hatte, hatte sie sich zu einer wahren Expertin entwickelt, wenn es darum ging, keine nackte Haut zu zeigen.
Doch das hier war für ihren Ehemann. Für ihren Ehemann, der genau genommen gar nicht mit ihr schlafen wollte. Vielleicht half dieser Hauch von nichts dabei, dass er seine Meinung änderte.
Sie atmete abrupt aus. »Tja«, sagte sie, »dann sollten wir mal beginnen, oder?«
Barbaras Lächeln wurde noch strahlender, und die beiden Frauen machten sich daran, Grace’ Haarknoten zu lösen und sie von ihren schlichten Kleidern zu befreien, bevor sie ihr Madames Kreation über den Kopf zogen. Schließlich schickte Grace, der in dem relativ kühlen Raum mit einem Mal sehr warm war, Barbara fort und wartete auf ihren Ehemann.
Und wartete.
Sie weigerte sich, ins Bett zu steigen und dort zu liegen wie eine Jungfrau auf dem Opferstein. Stattdessen rollte sie sich in einem Ohrensessel mit Damastbezug zusammen und legte sich den Reisebericht über Ägypten auf den Schoß, als wollte sie lesen. Sie sah aus dem Fenster, blätterte im Buch und zählte die Schläge der Uhr im Salon. Vier Mal zählte sie sie, und noch immer war Diccan nicht erschienen.
Sie war gekränkt und hatte Angst. Erinnerungen an das letzte Mal, als sie das Bett geteilt hatten, überfielen sie. Sie dachte an die verführerische Wärme seines Körpers, daran, wie seine Hände über ihre Haut geglitten waren. Sie dachte an das Bedauern darüber, dass sie ihn gestoppt hatte, ehe er die heiße, begierige Stelle zwischen ihren Beinen erreicht hatte. Die Stelle, die sich nun nach Diccans Rückkehr sehnte. Als wäre sie schon an seinen Duft gewöhnt. An seine Aufmerksamkeit. Seine Herrschaft über sie. Er hatte noch nicht einmal die Tür geöffnet, und sie war schon feucht vor Begierde.
Als sie hörte, wie die Uhr Mitternacht schlug, beschloss sie, dass sie genug hatte. Diccan war die ganze Situation vielleicht unangenehm, aber sie konnte ihm nicht unangenehmer sein als ihr. Glaubte er, es würde sie freuen, behandelt zu werden wie die einzige Person, die noch schlimmer war als ein dicker Prinz?
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, stand sie auf und ging zur Tür. Das Kaminfeuer im Salon war fast erloschen, und der Tisch war entfernt worden. Diccan war nirgendwo zu sehen. Grace blickte zu der verschlossenen Tür zu seinem Schlafzimmer und fluchte. Er sollte jetzt besser dort drin sein – denn wenn er sich aus dem Staub gemacht hatte, würde sie ihn mit einem Schürhaken verfolgen.
Sie legte die Hand auf ihre Brust, in der plötzlich Aufruhr herrschte. Barfuß tapste sie über den Teppich und klopfte an seine Tür. Sie hörte ein Murmeln, entschied, dass das einer Erlaubnis einzutreten gleichkam, und betrat das Zimmer.
Beim Anblick von Diccan hätte sie beinahe kehrtgemacht und wäre weggelaufen. Er hatte es sich in einem Sessel rechts neben dem langsam verlöschenden Kaminfeuer bequem gemacht. Seine bloßen Beine schauten unter einem eleganten
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