Lustvolles Erwachen
aufbrachte, um Harper ihre Entscheidung mitzuteilen. Sie ging in die Stallungen und fand ihn dort. Er striegelte gerade ihre Stute.
»Du kannst sie nicht wirklich wegschicken, mein Mädchen«, widersprach der Ire bestürzt.
Grace fühlte sich, als würde man ihr das Herz herausreißen. Epona wieherte, und Grace streichelte ihr über die seidigen Nüstern. »Ich kann sie nicht hierbehalten. Wenn ich nicht mit ihr ausreiten kann, wird sie eingehen. Du weißt das.«
Sie wusste, dass er sich darüber klar war. Epona lebte, um zu laufen. Wenn Grace sie nur im Hyde Park ritt, würde sie das Pferd zerstören. Sie wünschte sich nur, Diccan wäre nicht so aufmerksam gewesen, sie hierherzuholen. Es war schwer, sie zurückzuschicken. Grace fürchtete, dass sie an dieser Entscheidung zerbrechen würde.
»Aber du lässt dich von diesen verkniffenen Tanten nicht davon abhalten zu reiten«, entgegnete Harper und hatte seine Hand an Eponas Hals gelegt.
»Natürlich nicht. Allerdings nur im Park. Begleitet. Im Schritt, wie jede andere Dame der feinen Gesellschaft auch.«
Harper fluchte, als hätte sie verkündet, in Eisen gelegt zu werden. Und so wirkte es auch.
»Mir gefällt es nicht, dich zurückzulassen«, sagte Harps. »Nicht wenn er daran arbeitet, dich bloßzustellen.«
»Ich kann sie außer dir niemandem anvertrauen, um sie sicher nach Hause zu bringen«, erwiderte Grace und betrachtete die letzten Blüten im Garten. »Im Übrigen kannst du nichts tun, Harps. Ich muss allein damit fertigwerden.«
Harper schnaubte. »Oh, es gibt etwas, das ich tun kann. Ich denke, ich werde es einfach den Jungs überlassen.«
Sie blickte ihn an. Ihre Stimme klang unnachgiebig. »Die können auch nichts tun.«
Er erwiderte nichts. Sie konnte nichts sagen. Also ging sie davon. Ihr schoss durch den Kopf, dass sie Diccan für das alles hassen würde. Sie war sich nicht sicher, was sie noch alles verlieren konnte. Lady Castlereagh hatte ihr die Arbeit genommen, und dank Diccans Mutter hatte sie auch keine Möglichkeit zur Flucht mehr. Und Diccan? Er hätte ihr genauso gut alle Hoffnung nehmen können.
Sie war schon früher im Stich gelassen worden und hatte es überstanden. Doch sie hatte immer ihre Arbeit gehabt, das Land, das sie beruhigte, die Pferde, die ihr ein Gefühl von Freiheit gaben. Jetzt hatte sie nichts mehr.
Das stimmt nicht , dachte sie, als sie in ihren blauen Salon zurückkehrte, der inzwischen wie ein Gefängnis wirkte. Sie hatte ihre Freunde. Aber ihre Freunde konnten die sich immer weiter ausdehnende Leere in ihr nicht füllen. Sie konnten ihr den Ehemann nicht ersetzen, der plötzlich etwas Besseres zu tun hatte, als Zeit mit seiner Frau zu verbringen. Den Ehemann, der alles noch viel schlimmer gemacht hatte, indem er sie durch seine Aufmerksamkeit dazu gebracht hatte, sich zu öffnen, ehe er sich dann von ihr abwandte.
Sie hatte in der Hoffnung gelebt, dass er schon bald seinen Weg zurück in ihr Bett finden würde. Doch wieso sollte er sich das wünschen, wenn seine Geliebte hier war? Grace hatte sie ein Mal gesehen. Es war eine hübsche, zierliche Blondine – ein Armvoll, wie ihr Vater gesagt hätte. Eine lachende, sinnliche Süße. Die Frau, gegen die selbst Kate verblasste. Wie konnte Grace ihn dafür hassen, dass er diese Frau begehrte? Wie konnte sie glauben, ihr jemals das Wasser reichen zu können? Und wie lange konnte sie es versuchen?
Sie dachte daran, als sie am nächsten Morgen zum Frühstück nach unten kam und Diccan durch die Eingangstür trat.
»Warum hast du Epona wegbringen lassen?«, wollte er wissen. »Ich habe sie doch gerade erst für dich herholen lassen.«
Er trug noch immer seine Abendgarderobe, wirkte ein bisschen zerzaust, roch nach Rauch und Brandy und war unglaublich anziehend. Wenigstens, dachte Grace müde, riecht er nicht nach Parfum. Wahrscheinlich hätte sie ihm eines der brandneuen Wedgwood-Gefäße auf den Kopf geschlagen, wenn er nach Parfum duftend nach Hause gekommen wäre.
»Ich kann sie nicht hierbehalten, wenn ich sie nur im Park reiten darf«, sagte sie, während sie eine Stufe über ihm stand. »Und im Moment kann ich sie überhaupt nicht reiten – es sei denn, du bist dabei. Die Leute reden schon.«
»Tja, vergiss die Leute!«, erwiderte er barsch und warf seinen Zylinder auf den schwarzen Marmorfußboden.
Grace konnte den Blick nicht von dem Zylinder abwenden. »Vielleicht hebst du das besser auf«, sagte sie und verspürte den unbändigen Drang loszulachen.
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