Lustvolles Erwachen
als Duchess –, welche Chance hatte dann die Tochter eines Soldaten?
»Sicherlich würde Diccan dich beschützen«, sagte Grace.
Wieder lächelte Kate. »Sicherlich würde er es versuchen. Oder, Diccan?«
»Selbstverständlich würde ich das«, erklang unvermutet Diccans Stimme hinter Grace. »Was denn genau?«
Grace spürte, wie ihr mit einem Schlag die Luft wegblieb. Wieso hatte sie nicht bemerkt, dass Diccan sich genähert hatte? Plötzlich stand er neben ihr. Sein Körper verströmte Wärme wie ein geschürter Ofen. Grace erwischte sich dabei, gegen wohlige Schauer anzukämpfen.
Kate lachte. »Du würdest versuchen, meine Familie daran zu hindern, mich in Ketten in ein dunkles Verlies zu zerren.«
Diccan schauderte. »Ich schätze, das bedeutet, dass wir gerade den berühmten Hilliard-Blick abbekommen.«
»Von unzähligen Hilliards«, bestätigte Kate, auch wenn sie unbesorgt wirkte. »Ich denke, deine Mutter könnte gerade die Aquamarine entdeckt haben.«
Statt seine Mutter anzusehen, wandte Diccan sich Grace zu. »Sieh an, sieh an«, sagte er und streckte den Arm aus, um ihre Hand zu nehmen. »Und ich dachte, das vor Wut rote Gesicht meiner Mutter zu sehen, wäre Belohnung genug. Ich habe mich schändlich getäuscht. Dieser Schmuck ist für dich gemacht worden, Grace.«
Wie hübsch er ist, war alles, was Grace durch den Kopf ging, als sie ihn ebenfalls ansah. Gewiss war formelle Kleidung nur erfunden worden, um Diccan Hilliard zu zieren. Das Leinen des Anzugs war glatt und frisch, seine figurbetonte taubenblaue Weste elegant. Anscheinend hatte Biddle versucht, Diccans lockiges dunkles Haar zu zähmen, aber Diccan war mit den Händen wieder hindurchgefahren, denn es war leicht zerzaust und fiel ihm über den Kragen. Sein Gesicht war glatt rasiert, sein Kinn und seine Wangen waren scharf geschnitten, seine Lippen weich und unablässig in Bewegung.
Und seine Augen. Oh, seine Augen – blau umrandet, geisterhaft grau. Mesmer hätte Diccans Augen für seine Experimente benutzen können. Er hätte Leute dazu bringen können, alles zu tun.
»Hat es dir die Sprache verschlagen, meine Grace?«, fragte er mit einem bedächtigen Lächeln.
Schnell sammelte sie sich. »Das hat es allerdings. Ich dachte, ich hätte einfach einen schicken Mann geheiratet. Stattdessen finde ich heraus, dass er ein Ritter früherer Tage ist und einen Drachen bezwungen hat, um mir einen Schatz zurückzubringen.«
Das bescherte ihr ein herzhaftes Lachen und einen Kuss auf den Handrücken. »Dann gefallen dir die kleinen Klunker?«
Sie kämpfte gegen die wohligen Schauer an, die seine Berührung unweigerlich in ihr auslöste. »Du weißt genau, wie sehr der Schmuck mir gefällt. Er ist exquisit. Ich danke dir und deiner Urgroßmutter.«
»Vergiss nicht, meiner Mutter zu danken, weil sie sie mir überlassen hat, ehe ich gezwungen war, eine schwere Körperverletzung zu begehen.«
Vielleich t, dachte Grace und hatte ihre Hand in Diccans Armbeuge gelegt, hat die alte Hexe es deshalb für angebracht gehalten, mir zu drohen . Leider wurden die Drohungen der Frau dadurch nicht weniger gefährlich. Und der Schmuck brachte auch Epona nicht zurück. Oder half dabei, Grace zwei Stunden später vor dem Unglück zu bewahren, als sie ihrem Tischherrn zuhörte, der bei der Schildkrötensuppe über die unwürdigen Armen sprach.
Baron Hale war ein kleiner Mann um die fünfzig, der unglaubliche Ähnlichkeit mit einem Frosch hatte. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die vorstehenden Augen, das fleischige Gesicht und den schwitzenden Körper, der leicht nach Kanalisation roch. Für Grace war es schon schwierig genug, das Essen so dicht neben ihm überhaupt zu genießen. Unmöglich wurde es, als er anfing zu erklären, dass man rigoros gegen die Unruhen vorgehen müsste, die im ganzen Land ausbrachen.
Während er über die Getreidezollgesetze und die Technikfeinde, die Luddisten, sprach, gelang es Grace noch, sich zusammenzunehmen. Doch als der Baron seinen Zorn dann gegen die heimgekehrten Soldaten richtete, hatte ihre Geduld ein Ende.
»Guter Mann, dieser Sidmouth«, sagte der Baron und schaufelte Erbsen in seinen Mund. »Weiß, wie man dieses Geschmeiß in Schach hält. Wenn er doch nur etwas gegen all diese Soldaten unternehmen würde, die auf den Straßen herumlungern.«
Grace bemühte sich, taktvoll zu sein. »Sie wissen nicht, wohin sie sollen.«
»Natürlich wissen sie das. Sie sollten für ehrliche Löhne arbeiten, statt an
Weitere Kostenlose Bücher