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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
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auf die Tür deutet.
    »Ach du lieber Himmel«, ruft Schenk aus. »Wo bin ich nur mit meinen
Gedanken? Kann ich Sie in meinem Wagen mitnehmen? Meinen Teil beitragen?«
    »Danke, aber ich komme schon klar.«
    »Bei dem Schleudertrauma?«
    »Ehrlich, mir geht’s gut. Codein. Ich schwöre darauf.«
    »Darf ich Sie dann wenigstens zu Ihrem Auto begleiten?«
    Er begleitet ihn den ganzen Weg zum Auto und bleibt am Bordstein
stehen, bis Reed sich in den Verkehr einreiht.
    Christine James wird von lautstarkem Hämmern an der
Haustür geweckt. Zuerst denkt sie, die Nachbarn haben mal wieder Krach. Sie
dreht sich um, zieht sich die Decke über den Kopf, ignoriert es.
    Aber da ist es schon wieder. Als würde jemand mit einem
Vorschlaghammer gegen die Tür hauen. Dann eine Stimme.
    »Christine? Christine James?«
    Blinzelnd zieht Christine die Decke hinunter und ruft laut: »Wer ist
da?«
    »Detective Chief Inspector John Luther von der Serious Crime Unit in
London. Ich muss dringend mit Ihnen sprechen.«
    »Weswegen?«
    »Öffnen Sie bitte die Tür.«
    Christine steht auf. Sie überlegt, hinunterzugehen. Stattdessen
zieht sie die Vorhänge zurück.
    Sie sieht eine hübsche, rothaarige junge Frau, die mit verschränkten
Armen an der Motorhaube eines alten Volvo lehnt.
    Christine hat genug Zeit mit der Polizei verbracht – mit
Opferschutzbeamten, Kriminalbeamten, Pressesprechern, dem ganzen Rest.
    Sie erkennt sie sofort.
    Sie öffnet das Fenster, streckt den Kopf hinaus und beugt sich vor,
um hinunterzuschauen. Ein großer, schwarzer Polizist steht vor der Tür, blickt
zu ihr herauf.
    Die Straße ist still. Es ist eine hübsche Straße. Christine hat
nette Nachbarn. Sie hat ein angenehmes Leben, einen recht guten Job in der
Zentrale von W
H Smith . Sie hat es weit gebracht.
    Sie hat dieses Gefühl im Bauch, ganz tief in ihr drin.
    Es ist wie alle anderen großen Ereignisse im Leben: der erste
Schultag, der erste Kuss, das erste Mal, der erste Arbeitstag, der
Hochzeitstag. All diese Tage erwartet man sehnsüchtig, spielt sie in Gedanken
durch, malt sie sich wieder und wieder und wieder aus. Aber wenn der Tag kommt,
ist er nie so, wie man ihn sich vorgestellt hat.
    Jahrelang wurde Christine von einer Mitarbeiterin der Elise-Fox-Stiftung betreut. »Es wird vielleicht nie zu einer Aufklärung kommen«, hatte die Frau
ihr gesagt, »damit müssen Sie rechnen. Und wenn doch, dann ist das Ergebnis
vielleicht nicht so, wie Sie es sich erhoffen. Damit müssen Sie ebenfalls
rechnen.«
    Daraufhin hatte Christine geweint, denn die Frau war freundlich und
hatte selbst einiges durchgemacht.
    Aber die Frau hatte gewusst, dass Christine trotzdem von diesem Tag
träumen würde. Das war etwas ganz Natürliches, einfach eine Art, mit dem
Nichtwissen fertig zu werden.
    Christine weiß, dass dies der Tag ist.
    Es ist sechs Uhr morgens, und sie lehnt sich aus dem
Schlafzimmerfenster, und ein großer Polizist beugt den Kopf nach hinten, um zu
ihr heraufzuschauen, und sagt mit einer leisen, tiefen Stimme, einer schönen
Stimme: »Ms James. Es ist sehr wichtig.«
    »Ich bin in einer Minute unten«, antwortet Christine. »Ich muss mir
nur was anziehen.«
    Zehn Minuten später sitzt sie hinten in einem Polizeiwagen, der mit
Blaulicht und Sirene nach London rast.
    Die rothaarige junge Frau fährt schneller, als Christine je gefahren
ist. Eine Weile ist ihr deshalb übel.
    Dann wird ihr bewusst, dass ihr nicht wegen der Geschwindigkeit übel
ist. Es ist nur die alte, vertraute Übelkeit, eine so alte Feindin, dass sie
schon fast eine Freundin ist.
    Reed fährt fast einen Kilometer durch den immer dichter
werdenden Verkehr, bevor er sich sicher genug fühlt, um Luther anzurufen.
    »Na, alles klar?«, ruft Luther am anderen Ende der Leitung.
    Reed kann das heulende Einsatzhorn hören. »Wo bist du?«, fragt er.
    »Gerade auf der M25.«
    »Und was machst du?«
    »Zeugentransport.«
    »Kannst du jetzt reden?«
    »Worüber?«
    »Jemand hat letzte Nacht Julian Crouchs Wagen abgefackelt«, sagt
Reed. »Großer schwarzer Kerl. Tweedmantel.«
    »Das ist aber schade«, ruft Luther. »Ich hab’s nicht so mit Autos,
aber das Ding war schick. Das war ein schickes Auto.«
    »Also«, sagt Reed. »Jemand von der Beschwerdestelle war bei mir.«
    »Jetzt schon?«
    »Tja.«
    »Wer kümmert sich um den Fall?«
    »Martin Schenk. Kennst du ihn?«
    »Ich kenne seine Arbeit.«
    »Ich auch. Er ist kein Hund, den man gerne hinter sich herschnüffeln
hat.«
    »Ist er nicht, was?

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