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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
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das zu einem Komplex von Luxusapartments umgebaut wurde. Ein
Insasse des Irrenhauses war damals Aaron Kosminski gewesen. Luther ist sich
ziemlich sicher, dass Kosminski der wahre Jack the Ripper war.
    Jeremy und Jan Madsen wohnen in einer edwardianischen Doppelhaushälfte
mit Giebeldach in einer Sackgasse in Finchley.
    Jan Madsen kommt zur Tür. Sie ist eine imposante Erscheinung:
kantiges Kinn, markante Wangenknochen. Ergrauende, wallende Locken. Sie ist
zweiundsiebzig, eine pensionierte Apothekerin. Sie mustert Luther von oben bis
unten mit einem abschätzigen Blick und fragt: »Geht es um meinen Sohn?«
    Luther nickt. Steckt seine Dienstmarke wieder ein.
    Sie bittet Howie und ihn herein. Barsch vor Anspannung.
    Das Haus ist sauber. Im Wohnzimmer stehen Nippsachen und
Familienfotos, ein Fernseher, der ein Spitzenprodukt war, als er vor
fünfundzwanzig Jahren angeschafft wurde. Obst in einer blau-weißen
Keramikschale, das Korallengeäst kürzlich verspeister Trauben. Ein alter
HP-Computer ist an der Wand eingesteckt, der Bildschirm schwarz. Zwei
Kreditkarten auf dem Tisch. Daneben eine Tasse Tee mit Milch auf einem
Untersetzer. Spuren von Katzen, obwohl keine zu sehen sind.
    Jan dreht sich zu Luther und Howie um, ihr Sohn ein Geist zwischen
ihnen. »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    Howie lächelt freundlich. »Nein danke.«
    »Es ist noch ganz viel in der Kanne.«
    »Wirklich nicht. Aber danke.«
    »Kaffee?«
    »Danke, wir brauchen nichts.«
    »Wasser? Etwas zu essen?«
    Howie lächelt. »Wirklich. Wir möchten nichts.«
    Jan bittet sie, Platz zu nehmen.
    Luther und Howie lassen sich auf der Kante eines Laura-Ashley-Sofas
nieder.
    Jan setzt sich in einen dazu passenden Lehnstuhl. Ringt ihre
Gärtnerinnenhände, knotig von Arthritis.
    Nervöse Menschen fühlen sich gezwungen, die Stille zu füllen. Also
sitzen Luther und Howie einfach da und warten.
    »Es ist entsetzlich«, sagt sie. »Was er getan hat. Es ist
entsetzlich. Er wurde nicht so erzogen.«
    »Das sehe ich«, erwidert Luther. »Sie haben ein sehr schönes Haus.
Wohnen Sie schon lange hier?«
    »Seit 1965.« Sie sagt das mit Stolz und einem Anflug von etwas wie
Scham.
    »Und ist Ihr Mann …«
    »Oben«, sagt sie. »Es geht ihm leider nicht gut. Fibromyalgie. Und
diese ganze …«
    Luther nickt und weist Howie mit einer unauffälligen Geste an,
hinaufzugehen und nach dem Ehemann zu sehen.
    Howie erhebt sich, wendet sich an Jan Madsen: »Dürfte ich
vielleicht?«
    »Natürlich. Zweite Tür rechts am Ende der Treppe.«
    Howie dankt ihr, dann verlässt sie das Zimmer und geht hinauf in den
Geruch von Mr-Sheen-Möbelpolitur.
    Sie klopft leise an die Schlafzimmertür. Hört ein geflüstertes: »Ja,
bitte?«
    Howie öffnet die Tür. Jeremy Madsen liegt im Bett. Ein großer,
hagerer Mann mit schütterem Haar und zahlreichen Leberflecken. An die zehn
Jahre älter als seine Frau.
    Sie lässt den Blick durchs Zimmer schweifen, über die vollgestellte
Frisierkommode und die düsteren Schränke. Lederschlappen stehen neben dem Bett.
    Howie stellt sich vor, zeigt ihre Dienstmarke und flüstert: »Es tut
mir leid, dass ich Sie stören muss.«
    Jeremy setzt sich auf. Er hat eine leichte Lähmung. Er blinzelt
durch ein Auge. »Es tut mir leid«, flüstert er zurück. »Migräne. Ganz schlimm.«
    »Sie hatten einen Schock«, sagt Howie.
    »Ich kann Ihre Fragen beantworten«, flüstert er.
    »Ich bin sicher, das wird nicht nötig sein. Ich bin sicher, Ihre
Frau kann uns alles sagen, was wir wissen müssen. Bitte.«
    Jeremy nickt. Die Bewegung lässt ihn vor Schmerz das Gesicht
verziehen.
    Howie fragt: »Kann ich Ihnen irgendetwas bringen? Wasser?«
    »Schon gut.« Seine von Leberflecken übersäte Hand zittert wie bei
einem Diabetiker. »Ich muss nur – wenn es Ihnen nichts ausmacht?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Howie stützt Jeremys Schulter, spürt die Knochen durch den weichen
Pyjama. Sie hilft ihm, sich wieder hinzulegen.
    Sie bleibt am Rand des Bettes stehen, während er sich in eine
Fötusstellung zusammenrollt.
    Verlegen schlüpft Howie aus dem Zimmer und geht hinunter.
    Im Wohnzimmer beugt Luther sich vor, er sitzt noch immer auf der
Kante des geblümten Sofas. »Hat Henry sich bei Ihnen gemeldet?«
    Jan Madsen nickt. »Ja, er hat angerufen.«
    »Wann?«
    »Vor etwa einer Stunde.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Nichts. Da war nur ein Rauschen in der Leitung.«
    »Woher wussten Sie dann, dass er es war?«
    »Ich hatte schon damit gerechnet.« Sie spuckt es beinahe

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