Luther. Die Drohung
er.
London Talk FM hat seinen Sitz in einem Bürogebäude
auf der Gray’s Inn Road. Grau und chromfarben, Rauchglas. Luther und Howie
kommen am frühen Abend dort an, sie müssen sich durch ein Knäuel bereits
draußen versammelter Medienvertreter drängen.
Am Empfang steht ein uniformierter Wächter. Er fordert Luther und
Howie auf, sich einzutragen, gibt ihnen jeweils ein Gästeschildchen, schickt
sie zu den Aufzügen.
Sie fahren fünf Stockwerke hoch, betreten dann einen anonymen
Vorraum. An den Wänden hängen ein paar eingerahmte Werbeplakate.
Sie werden von einer hübschen und dynamischen jungen Praktikantin
begrüßt, die sie in ein Konferenzzimmer mit Glaswand führt. Plundergebäck auf
dem langen Tisch.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches sitzen ein schmuddeliger
Mann und eine gut aussehende Frau mittleren Alters. Danny Hillman und Maggie
Reilly.
Die vier schütteln sich über den Tisch hinweg die Hände, freundlich
und wachsam. Hillman holt zwei Visitenkarten aus seiner Brieftasche und schiebt
sie über den Tisch zu Luther und Howie.
Luther sieht sich die Karte flüchtig an. »Tut mir leid, dass ich
sofort zur Sache kommen muss«, sagt er, »aber wie Sie wissen, befinden wir uns
hier in einem Wettlauf gegen die Zeit, also …«
Maggie Reilly schenkt ihm ihr Lächeln. »Fragen Sie ruhig.«
»Selbstverständlich«, sagt Luther, »ist es unsere oberste Priorität,
Sie zu bitten, diesem Mann nicht noch mehr Sendezeit zu gewähren.«
»Mal im Ernst«, sagt Hillman. »Wie könnten wir je rechtfertigen,
dieser Bitte zu folgen?«
»Weil er nicht der ist, der er zu sein vorgibt?«
»Das wissen Sie ebenso wenig wie wir – solange Sie nicht den wahren
Mörder erwischt und festgenommen haben. Haben Sie das?«
Luther zuckt mit den Schultern, steckt die Visitenkarte in seine
Brieftasche.
»Ich werde mit Ihnen nicht über laufende Ermittlungen sprechen, Mr
Hillman. Sie müssen mir da einfach vertrauen.«
»Wenn Sie wüssten, wer er ist«, sagt Danny Hillman, »dann hätten Sie
den Medien bereits seinen Namen genannt.«
»Denken Sie, was Sie wollen. Aber ich garantiere Ihnen eins: Wenn
Sie mit diesem Mann kooperieren, wird niemand dieses Baby je lebend zu Gesicht
bekommen. Menschen wie Pete Black wenden sich nur dann an die Medien, wenn es
ihren Zwecken dient.«
»Und können wir Sie mit alldem zitieren?«, fragt Maggie mit einem
drohenden Grinsen. »Leitender Ermittlungsbeamter will London Talk FM zwingen,
nicht bei der Suche nach Baby Emma zu helfen?«
Hillman greift ein, übergeht Luthers sichtliche Verärgerung. »Sehen
Sie«, sagt er, »hier handelt es sich ganz klar um öffentliches Interesse. Wir
haben die Sache unseren Anwälten vorgelegt. Sie sind einverstanden. Wenn Sie
versuchen, uns mundtot zu machen, senden wir das, behandeln es als eine Story.
Und sobald bekannt wird, dass die Polizei versucht hat, uns davon abzuhalten,
bei der Rettung eines Kindes zu helfen – was passiert dann?«
Luther lehnt sich zurück. »Ich kann eine D-Notice beantragen.«
Er meint eine Defence Advisory Notice, eine offizielle Aufforderung
an Nachrichtenredakteure, gewisse Berichte nicht zu veröffentlichen
beziehungsweise zu senden.
Hillman sagt: »Wir geben keine Informationen heraus, die die
nationale Sicherheit betreffen oder damit in Zusammenhang stehen.«
Luther geht nicht darauf ein. »Na, wie sind die Einschaltquoten?«,
fragt er. »Schwindelerregend hoch, nicht wahr? Killer ruft an. Sie twittern,
Sie stellen es auf Scheiß-Facebook, es verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Sie
nähren dieses neue Interesse, indem Sie den Anruf als Titelthema alle, was?,
alle fünfzehn Minuten in den Nachrichten bringen. Killer-Anruf bei London Talk FM !
Andere Nachrichtensender greifen die Story auf. So etwas verbreitet sich wie
eine Explosion. In ein paar Stunden sitzen Sie auf der fettesten Story in
Großbritannien. Was aus Ihnen, dieser Radiostation, die fetteste Story in
Großbritannien macht. Wir haben sie unten gesehen. Die Hyänen.«
»Das hier ist eine kommerzielle Strategie, absolut«, sagt Hillman.
»Aber ob Sie’s glauben oder nicht, uns liegt das Interesse unserer Hörer
tatsächlich am Herzen. Und unsere Stadt. Von Baby Emma ganz zu schweigen.«
»Sie heißt nicht Emma. Sie hat noch keinen Namen. Ihre Eltern sind
vor ihrer Geburt gestorben.«
»Jetzt hat sie einen Namen«, sagt Maggie. »Wohl oder übel.«
»In Ordnung«, sagt Hillman. »Jetzt beruhigen wir uns alle mal.« Er
steht auf und
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