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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
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Angreifer feiert in drei
Wochen seinen dreizehnten Geburtstag.
    Das Opfer ist Olusola Akinrele, ein Krankenhausbediensteter auf dem
Weg zur Frühschicht. Das »Bündel« war seine Sporttasche.
    Zum Glück für Mr Akinrele, der auf einem Auge seine Sehkraft
verliert, findet die Attacke keine hundert Meter von der Homerton-Notaufnahme
statt, wo er als Pfleger arbeitet.
    Um 5.47 Uhr kommt Maggie Reilly ans Mikrofon und
verkündet, Pete Black habe sich endlich wieder bei London Talk FM gemeldet.
    »Pete«, fragt sie, »sind Sie das?«
    Luther hört auf, hin und her zu gehen. Er schnappt sich das
Kofferradio und hält es sich direkt ans Ohr.
    »Ich bin durch ganz London gefahren«, sagt Pete Black, weinerlich
vor Selbstmitleid. » Überall ist die Polizei. Ich will nur, dass London das
weiß. Ich will, dass London weiß, was die Polizei tut. Ich versuche zu helfen,
und das habe ich jetzt davon.«
    »Sie können der Polizei keinen Vorwurf machen, dass sie ihre Arbeit
tut.«
    »Doch. Denn sonst wäre Emma jetzt bei den Ärzten. Aber das ist sie
nicht, oder?«
    »Wo ist sie dann, Pete? Wo ist Baby Emma?«
    »Ich hab sie dorthin gebracht, wo ich konnte. Ich hoffe, sie ist in
Sicherheit.«
    »Wo ist sie, Pete?«
    »Wenn sie nicht in Sicherheit ist, ist das nicht meine Schuld. Ich
wollte, dass ihr das alle wisst. Ich habe mein Bestes getan. Ich habe nur
versucht, zu helfen.«
    »Pete, wo ist sie? Wo ist Baby Emma?«
    »Die Polizei verfolgt meinen Anruf zurück«, sagt Pete Black. »Sie
wird es wissen.«
    Luther schaltet das Radio aus und streift sich seinen
Mantel über. Er wählt Tellers Nummer.
    »Wo?«, fragt er.
    »King’s Cross«, antwortet sie.
    Luther ist schon zur Tür hinaus.

12
    Sie sperren ein zwei Kilometer großes Gebiet um King’s
Cross ab, konzentrieren die Suche auf das Joy Christian Centre, die Saints
Church of England, St. Aloysius Convent, das Crowndale Health Centre in der
Crowndale Road, das Killick Street Health Centre, das New Horizon Youth Centre.
    Luther entscheidet, sich dem Kommando anzuschließen, das das
Grundstück der St. Pancras Old Church am Rande des Suchradius durchkämmt.
    Es ist die größte Grünfläche des Pfarrbezirks und eine der ältesten
christlichen Glaubensstätten in London. Uralte Bäume. Uralte Gräber.
    Er erreicht eine alte Esche, die von einem rostigen Zaun eingefasst
ist. Um den Fuß des Baums drängen sich verwitterte Grabsteine. Sie stehen da
wie eigenartige Pilze. Im Lauf der Jahre sind die Baumwurzeln zwischen die
Steine gewachsen, haben sie aus dem Gleichgewicht gebracht, scheinen im
Begriff, sie zu zermalmen.
    Ein Baby ist zwischen zwei Steine geklemmt worden, bestreut mit ein
paar Händen voll Erde und verwesten Blättern.
    Luther greift danach.
    Er hebt das Baby vom Boden auf.
    Dann legt er es wieder zurück. Es ist kalt.
    Luther tritt aus dem Untersuchungszelt. Blicke gleiten
über ihn. Polizisten, Schaulustige, Sanitäter.
    Vor den Toren blitzen blaue Warnlichter. Uniformierte Beamte
errichten Absperrgitter.
    Die Medien sind hier, natürlich: Es wimmelt von Gesichtern jeder
Hautfarbe und jeden Alters, die Masse geeint in ihrer Gier, einen Blick zu
erhaschen.
    Über allem schwebt ein Hubschrauber.
    Luther vergräbt die Hände tief in den Taschen und stapft durch
nasses Gras zu einer abgelegenen, verborgenen Ecke des Kirchhofs.
    Er lehnt sich mit dem Rücken an die viktorianische Backsteinmauer.
Sie ist dicht bewachsen mit immergrünen Kletterpflanzen. Sie ist erschreckend
nass.
    Er legt den Kopf in die Hände und weint.
    Als er fertig ist, ist Teller da, halb sitzt sie, halb lehnt sie auf
einem Grabstein.
    Luthers Augen sind wund und nass. Er wischt mit dem Handrücken
darüber. Er schämt sich.
    Teller sagt kein Wort.
    Um etwas zu tun zu haben, gehen sie in die Kirche.
    Drinnen finden sie kühlen Stein und schwere Stille vor. Den süßen,
staubigen Duft von altem Weihrauch.
    Teller setzt sich in die Bank vor ihm, wendet sich ihm zu und legt
das Kinn auf den Unterarm. Sie beobachtet ihn.
    »Fuck«, sagt er.
    »Ich weiß«, antwortet sie.
    Draußen sind der Tatort, das Absperrband, die Spurensicherung, die
Gerichtsmediziner und dahinter die Kirchentore, die zurück in die Stadt führen,
das Gewühl der Leute, die Kameras, die Journalisten, die Handys, die
Liebeslieder im Radio vorbeifahrender Autos.
    Am Eingang der Kirche trägt eine kürzlich hinzugefügte Marmorplatte
die Inschrift: Und
ich bin hier /an einem Ort /jenseits von Verlangen oder Furcht.
    Sie berührt

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