Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Cross
Vom Netzwerk:
seinen Unterarm.
    Er nickt nach unten zu seinem Schoß. Dann fährt er sich mit den
Händen übers Gesicht, um etwas Leben hineinzumassieren. Er steht auf. Klatscht
in seine großen Hände.
    Sie sieht ihm nach, wie er hinausgeht, durch die große Tür und in
den Morgen. Ein großer Mann mit großen Schritten. Während die Welt sich unter
ihm dreht wie ein Rad.

13
    Henry
kauft die Mail , den Mirror , die Sun , den Independent und die Times . Aber nicht den Guardian . Henry hasst den Guardian .
    Dann geht er ins Café und bestellt ein komplettes englisches
Frühstück. Er legt Mantel und Schal ab und setzt sich noch immer zitternd an
einen der Tische mit roter Kunststoffplatte, die penibel am Boden
festgeschraubt sind, wie es allgemein üblich geworden ist.
    Das macht ihn traurig. Aber richtige Cafés, Cafés wie dieses hier,
schließen jede Woche zu Dutzenden, verlöschen flackernd wie Lichterketten. Also
nimmt er, was er kriegen kann.
    Er streut Zucker in seinen Tee, rührt ihn mit einem schmutzigen
Löffel um, fleckig von Jahren täglicher Reinigung mit Tannin.
    Dann kann er es nicht länger aushalten. Er schlägt die erste Zeitung
auf.
    Sie erzählen die Geschichte auf die gleiche Art: LONDON HÄLT DEN ATEM AN. GEBETE FÜR
BABY EMMA. TAUSENDE MENSCHEN LETZTE NACHT BESORGT … HUNDERTE POLIZISTEN LETZTE
NACHT IM SONDEREINSATZ … WIR ALLE BETEN … IN DUNKLEN ZEITEN …
    Henry kocht vor Wut und Scham.
    Er schaut durchs Fenster auf die taunasse, erwachende Stadt: die
Marktverkäufer, die Stände aufbauen, um Biogemüse und indisches Essen und
gefälschte Caterpillar-Schuhe und billige Poloshirts anzubieten. Die Frauen,
die zum örtlichen Tesco zur Arbeit gehen; die Taxifahrer, die vor dem Kiosk halten und hineinschlüpfen,
um eine Zeitung und eine Packung Kippen zu kaufen.
    Dann wendet er sich wieder seiner Zeitung zu – den Fotos der
lächelnden Lamberts, der Frau, die er aufgeschlitzt hat wie eine reife Frucht,
um die frischere Frucht aus ihrem Inneren herauszuholen. Er hatte die
pulsierende blaue Nabelschnur mit einem Klappmesser durchtrennt, das er schon
als kleiner Junge besessen hatte.
    Er war sicher gewesen, dass die Lamberts perfekt waren; er hatte zu
ihnen gehalten während der Jahre künstlicher Befruchtungen, weil er nie daran
gezweifelt hatte, dass sie fruchtbar waren. Sie waren zu erlesen, um es nicht
zu sein. Zwei solche Körper, das waren Brutmaschinen.
    Einfache genetische Regeln legten nahe, dass auch ihr Kind perfekt
sein würde. Aber das war es nicht gewesen. Es war ein wimmernder kleiner Wurm.
    Es ist nicht Henrys Schuld, dass sie gestorben ist. Und wenigstens
weiß London das jetzt. Die Leute wissen, dass der Mann, der sich Baby Emma
geholt hat, kein Perversling war.
    Zoe geht hinunter und schaltet den Fernseher ein, sieht
die freundliche Sprecherin der Morgennachrichten ihr ernstes Gesicht aufsetzen.
    »… zum neusten Stand dieses noch ungeklärten Falls«, sagt sie.
»Einem Hinweis des Mannes folgend, der behauptete, er habe Baby Emma Lambert
gekidnappt, fanden sichtlich erschütterte Polizisten heute früh bei der St. Pancras Old Church im Zentrum Londons die Leiche eines Babys, wie uns eben
mitgeteilt wurde. Simon Maxwell-Davis ist vor Ort.«
    Zoe sieht Liveaufnahmen eines Londoner Kirchhofs. Ein
schwindelerregender Zoom – und da ist John, wie er von einem Untersuchungszelt
davonstürmt. Rose Teller ist einen halben Schritt hinter ihm, heftet sich an
seine Fersen wie ein Terrier.
    Darauf folgen Hubschrauberaufnahmen von John, wie er an einer Mauer
lehnt und offensichtlich weint.
    Zoes Hand greift an ihre Kehle.
    Schnitt zurück zu dem jungen Mann mit Mikrofon. Rotblond und gut
aussehend, leicht pausbäckig.
    »Nun, Lorna«, sagt er zu der Moderatorin, zu den Zuschauern, zu Zoe,
»das hier muss der Moment sein, den alle Polizisten fürchten. Obwohl ich
betonen muss, dass wir noch keine offizielle Bestätigung haben, verlauten
unsere Quellen, dass die Polizei nach dem dramatischen Anruf bei einem Londoner
Radiosender heute früh tatsächlich hier bei der St. Pancras Old Church im
Zentrum Londons eine Babyleiche gefunden hat. Die genaueren Umstände sind
zurzeit noch ungeklärt …«
    Zoe schaltet den Fernseher aus und ruft John an.
    Sie landet bei der Mailbox.
    Er geht nie an sein verdammtes Handy. Das ist typisch für ihn. Es
macht sie wahnsinnig. Er sagt, wenn man einmal anfängt, ans Handy zu gehen,
klingelt es die ganze Zeit.
    »John«, sagt sie, »ich bin’s. Ich weiß nicht, wie

Weitere Kostenlose Bücher