Luther. Die Drohung
Taschentücher, eine Buttercremetorte,
Schokokekse, Vanille-Doppelkekse. Dann, zum Schluss, stellt er zwölf kleine
Dosen Cesar-Hundefutter vor sich hin. »Zeigen Sie mir, wo das alles hinkommt«,
sagt er. »Ich räum das weg.«
»Das müssen Sie nicht.«
»Sie sind ein Kumpel von Ian«, sagt Luther. »Ich habe versprochen,
dafür zu sorgen, dass man sich um Sie kümmert. Er hält große Stücke auf Sie.«
»Er ist ein anständiger Bursche, dieser Ian«, sagt Bill Tanner.
»Das ist er.«
Nachdem Luther die Einkäufe eingeräumt hat, fragt er nach der
Hundeleine und geht mit dem tatterigen alten Yorkie einmal um den Block. Er
pinkelt an jeden dritten Laternenpfahl, hockt sich schließlich an der Ecke hin,
um zu kacken.
Luther nimmt, ohne es zu wollen, jeden wahr, der im Vorbeigehen
kichert: ein junges Pärchen, Hand in Hand, eine Gruppe weißer Jugendlicher, die
vor einem China-Imbiss herumlungern.
Die Jugendlichen sehen ihn bösartig an, rufen ein paar
Beleidigungen. Es ist ihm peinlich, wie der kleine Hund mit seinen steifen,
kurzen Beinchen neben ihm hertrippelt. Aber er wirft ihnen einen ungerührten
Blick zu, einen Blick, der deutlich macht, dass er keine Angst hat, und ihre
Blicke gleiten still von ihm ab.
Er bringt den Hund zurück nach Hause und schließt sich selbst die
Tür auf.
Er hilft dem alten Mann die Treppe hinauf und in sein muffiges Bett.
Dann trottet er nach unten. Er setzt sich in den Lehnstuhl und
stellt das Kofferradio auf London Talk FM .
Er hört zu. Aber er kann nicht still sitzen. Er kann nicht aufhören,
nachzudenken. Sein Kopf ist eine Stadt. Er geht auf und ab. Er reibt sich mit
der Handfläche über den Schädel.
Der Hund läuft freudig neben ihm her, zeigt die Spitze seiner
winzigen rosa Zunge.
Das Radio murmelt vor sich hin.
Howie geht zur Haustür hinein, schleppt sich zwei Treppen
hinauf und öffnet die Tür zu ihrer Wohnung.
Robert schläft und sie will ihn nicht wecken. Also schleicht sie in
das winzige zweite Schlafzimmer, rollt sich als Kissen einen Fleecepulli
zusammen und schläft in ihren Kleidern.
Gegen fünf Uhr morgens schreit sie auf, laut genug, dass Robert wach
wird. Er tappt zu ihr. Er steht halb nackt in der Tür und fragt sich, ob er sie
wecken soll oder nicht.
Er entscheidet sich dagegen. Er geht zurück ins Bett. Er kann nicht
mehr einschlafen.
Zoe nimmt ein langes Bad, obwohl sie heute schon zweimal
geduscht hat, dann legt sie sich in Pyjama und dicken Socken aufs Sofa, das
Haar zurückgebunden. Sie lässt News 24 lautlos im Hintergrund flimmern und hört leise
Maggie Reilly auf London
Talk FM , während sie Fallnotizen durchsieht, eine halbe Flasche
Wein trinkt und weinerlich wird.
Alle fünf Minuten schaut sie auf ihr Handy.
Gegen ein Uhr nachts gibt sie auf. Sie wickelt sich in eine weiche
Fleecedecke, legt die Papiere zur Seite, dreht das Radio lauter und überfliegt
die Nachrichten-Websites: LAND HÄLT DEN
ATEM AN FÜR BABY EMMA. BANGES WARTEN AUF BABY EMMA. LONDON HÄLT DEN ATEM AN IM
»BABY EMMA«-DRAMA .
Sie gleitet in den Schlaf und direkt in einen Traum, in dem sie und
Mark vögeln. Er schiebt seine Finger in ihren Mund und sie beißt zu. Die ganze
Zeit über sucht John etwas im Kleiderschrank.
Sie wacht auf, bevor sie auf dem Boden aufprallt, und konzentriert
sich wieder auf die Nachrichten.
Dieselben zwei Fotos von Baby Emmas Mutter und Vater. Dieselbe
Tonaufnahme des Mannes, der behauptet, ihr Mörder zu sein. Dieselben nüchternen
Nachrichtensprecher, derselbe ernste, genussvolle Schauder.
Sie blendet zurück zu gestern Mittag, der Art, wie Mark und sie sich
umeinander wanden, in ihrem Kopf sieht es aus, als hätten sich ihre Beine
umeinander geschlungen wie Schlangen. Sie denkt an Marks Mund an ihrer Brust
und zwischen ihren Beinen, seine Zunge zwischen ihren Lippen, seinen Schwanz in
ihrem Mund, und sie will sich übergeben.
Irgendwann nach drei Uhr schläft sie ein.
Um 4.17 Uhr erwacht sie schlagartig aus einem weiteren Traum, der
schlimmer war als der erste.
Sie sitzt da bis kurz nach fünf, mit verklebten Augen und steifem
Hals, hört dem leisen, hirnlosen Gemurmel des Talkradios zu und aktualisiert
die BBC-News -Homepage
alle paar Sekunden.
Danny Hillman sitzt im engen Produktionsraum und überwacht
die Newsfeeds, RSS-Feeds, Reuters.
Aber hauptsächlich wartet er darauf, dass Pete Black anruft.
Kurz vor Mitternacht meldet sich Lucy, um zu hören, wie es ihm geht.
Die Mädchen schlafen friedlich, sie schicken ihm
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