Lux Aeterna (German Edition)
dessen Ausstattung es an nichts fehlen ließ. Die dunkle Trennscheibe zum Fahrer war hochgezogen, so dass sie sich ziemlich verloren vorkam, und je länger die Fahrt dauerte, desto mulmiger wurde das Gefühl in ihrer Magengegend.
Kurz vor der Abenddämmerung öffnete sich das schmiedeeiserne Tor vor der großen Parkanlage und die Limousine fuhr langsam auf ein altes Landhaus im elisabethanischen Stil zu. ‚Wow’ , dachte Tamara nur. ‚Das nenne ich schöner Wohnen.’
Auf der Treppe wurde sie schon von einem Butler und einer Hausdame begrüßt, die sich mit Namen Lilly vorstellte und sie gleich in das Haus führte. Tamara kam sich vor, als würde sie eine andere Welt betreten oder besser gesagt, ein anderes Jahrhundert. Die edle, antike Einrichtung gefiel ihr. Auch das Zimmer, das Lilly ihr zugewiesen hatte, war ein Traum aus dem achtzehnten Jahrhundert mit großen geteilten Fensterflügeln und einem kleinen Balkon, um den sich wilder Wein rankte. Die junge Frau fühlte sich wie eine Prinzessin und vergaß fast den Grund ihres Kommens.
Am Abend ihrer Ankunft war Richard Tabatha nicht anwesend, aber das Abendessen kam dem in einem Fünf-Sterne-Hotel gleich. So verwöhnt worden war die taffe Polizeibeamtin noch nie. ‚Fast wie im Märchen’, dachte sie nur und beschloss, dies ruhig noch ein wenig zu genießen.
* * *
Der nächste Morgen zeigte das strahlende Gesicht Englands. Die Herbstsonne brachte das Laub im Park zum Leuchten. Das geheimnisvoll klagende Rufen eines Pfaus weckte Tamara auf. Nein, es war doch kein Traum gewesen. Sie war immer noch die Prinzessin in einem verwunschenen Schloss. Tamara lächelte vor sich hin, reckte sich in dem riesigen, weichen Himmelbett und drehte sich noch einmal auf die Seite. Dabei fiel ihr Blick auf den Reisewecker. Himmel! Schon viertel vor Zehn. Solange schlief sie sonst nie. Dann fiel ihr ein, dass Samstag war.
Und dann sah sie auch das reich gedeckte Frühstückstablett auf ihrem Nachtisch. Donnerwetter! War das ein Service. Frühstück im Bett hatte es für sie noch nie gegeben.
Als Tamara schließlich ihr Zimmer verließ, musste sie sich erst einmal orientieren. Ein Hausmädchen zeigte ihr den Weg zur Treppe ins Erdgeschoss. In diesem Gebäude konnte man sich wirklich verlaufen. Unten angekommen verneigte sich Isaac, der Butler, kurz vor Tamara und bat sie, in der Bibliothek auf den Hausherrn zu warten, der erst in den frühen Morgenstunden eingetroffen war. Die Bibliothek selbst war so groß wie ein Tanzsaal, über und über mit alten und wertvollen Büchern bestückt, teils wohlsortiert in Regalen bis unter die Decke, teils völlig durcheinander gestapelt auf dem riesigen, geschnitzten Tisch in der Mitte des Raumes. Durch die bleiverglasten, großen Fensterscheiben zauberte die Morgensonne ein magisches Licht, in dem feine Staubpartikel tanzten. Ein offener Kamin mit zwei großen Ledersesseln davor sorgte für Gemütlichkeit.
Wahllos nahm Tamara das eine oder andere Buch in die Hand, als hinter ihr plötzlich Tabathas sonore Stimme ertönte.
„Willkommen auf Marywood, Tamara Hansen.“ Wieder schwang dieser spöttische Unterton in seiner Stimme mit.
Tamara wandte sich um und versuchte, möglichst ungerührt auszusehen. Doch der hochgewachsene, schlanke Mann mit den tiefschwarzen Augen und dem leicht gewellten, ebenso dunklen Haar ließ sie nicht kalt. Trotz der späten Heimkehr sah Richard Tabatha gut erholt aus. Ein Lächeln umspielte seinen schmalen Mund.
„Ich freue mich sehr, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Anwesen und vielleicht lernen Sie mich ja so gut kennen, um mich aus dem Kreis Ihrer Verdächtigen zu streichen.“
Tamara hasste seine hintergründige Art, trotzdem fühlte sie sich stark zu ihm hingezogen.
Der Künstler zeigte ihr das weitläufige Landhaus wie ein gelernter Fremdenführer. Jetzt im Tageslicht sah man deutlich, das hier und dort einige Renovierungen nötig waren, doch das tat dem Charme des Gebäudes keinen Abbruch. Der Park mit den alten, knorrigen Bäumen war ebenfalls ein Relikt aus vergangenen Jahrhunderten und tatsächlich liefen einige Pfauenpaare dort frei herum. Tabatha erzählte Geschichten und Anekdoten aus seinem Leben, und so erfuhr die junge Frau einiges über ihren Begleiter: dass er aus einer alten Adelsfamilie stammte, rumänischer Abstammung war und durch seine erfolgreichen Konzerte viel auf Reisen war.
‚Er kann unmöglich unser Mörder sein’ , dachte
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