Lux Aeterna (German Edition)
Tamara. ‚Niemand setzt all das aufs Spiel.’ Dabei sah sie sich mit Bewunderung für ihre Umgebung um.
„Was, denken Sie, macht Ihr Mörder eigentlich mit dem Blut seiner Opfer?“, fragte er plötzlich.
Tamara blickte ihn verständnislos an. „Wie bitte? Ach so, keine Ahnung, vielleicht ist er einfach ein neurotischer Arzt.“ Tabatha lächelte.
„Oder ein Vampir.“
Jetzt musste die Polizeibeamtin lachen. „Sicher! Das kann wirklich nur einer behaupten, der aus dem Land von Dracula kommt!“ Jetzt mussten sie beide lachen.
„Wenn Sie mögen, begleiten Sie mich doch gleich heute Abend zur Vorstellung. Wir könnten dann gemeinsam hinfahren“, bot er ihr an. „Und bei dieser Gelegenheit können wir uns ja auch gleich duzen.“
Das Eis zwischen ihnen schien gebrochen.
* * *
Als Tamara nach dem Konzert am Samstagabend in die Künstlergarderobe gehen wollte, hörte sie aus dieser Richtung zwei Männerstimmen miteinander streiten. Die eine gehörte Richard Tabatha. ‚Der andere muss wohl sein Manager sein’ , dachte Tamara, als sie vor der Türe angelangt war. Der Disput war so laut, dass man ihn durch die geschlossene Türe hören konnte.
„Sie wissen genau, dass ich niemals in einer Kirche auftreten werde!“, hörte sie die zornige Stimme des Pianisten.
„Aber dieses Konzert ist für einen guten Zweck, und eine Menge Prominente und Medien werden anwesend sein!“, hielt ihm der Manager entgegen.
„Verschonen Sie mich mit dieser Art Werbung. Meine Antwort lautet Nein!“ Tabatha stürzte aus der Garderobe und lief fast die Polizeibeamtin um.
Als er Tamara registrierte, änderte sich Tabathas ärgerlicher Gesichtsausdruck sofort, und er bat um Entschuldigung. Aber Tamaras Misstrauen war geweckt.
„Ich würde gerne einmal persönlich mit deinem Manager sprechen. Allein!“ Mit diesen Worten schlüpfte sie an dem verdutzten Künstler vorbei und stellte sich dem Manager Sergej Dejbus vor. Von ihm erfuhr sie auch den Grund des Streitgespräches. In Richard Tabathas Vertrag stand eine Klausel, dass er weder in kirchlichen Gebäuden, noch vor acht Uhr abends auftreten würde. ‚Ziemlich neurotisch’ , dachte Tamara. ‚Aber das sind ja viele Künstler.’ Sie maß diesem Vorfall keine weitere Bedeutung bei, und auf der gemeinsamen Heimfahrt war Richard Tabatha wieder ganz der alte. Tamara war immer mehr fasziniert von seiner Welt, seinem galanten, oft überheblichen und doch einnehmenden Wesen. Richard Tabatha war nicht leicht zu durchschauen, und Tamara beschloss auf sein Drängen hin, noch einige Tage frei zu nehmen und sein Gast zu bleiben. Sie fühlte sich fast wie zu Hause auf Marywood.
Da der nächste Auftritt am Sonntag eine weite Anreise erforderte, war Richard bereits abgereist, und so hatte die Ermittlerin Zeit, das schlossähnliche Gebäude auf eigene Faust zu erkunden. Gerade wollte sie noch einmal in die wunderschöne Bibliothek, als ihr Handy klingelte.
„Was, zum Teufel, machen Sie da überhaupt?“ Die Stimme gehörte Hauptkommissar Welsch. „Gestern Nacht ist ein weiterer Mord geschehen, mitten in London!“
„Gestern?“ Tamara war verdutzt. „Dann kann Richard Tabatha nicht unser Mörder sein. Ich war bis kurz nach Mitternacht mit ihm zusammen.“
„Die Leiche wurde in den frühen Morgenstunden von einem Zimmermädchen im Douglas Hotel gefunden. Der Todeszeitpunkt konnte nicht genau festgestellt werden, da der größte Teil des Blutes fehlte.“
Tamara seufzte. „Ich fliege heute noch zurück.“
„Nein, werden Sie nicht. Sie behalten unseren Star weiterhin im Auge. Auch wenn ich froh wäre, endlich Ihren Kater loszuwerden. Der fusselt!“
Erleichterung machte sich in Tamara breit. Sie durfte noch eine Zeitlang den Zauber von Richards Welt und seiner Musik genießen.
Die Polizeibeamtin wandte sich wieder dem riesigen Tisch voller Bücher in der Bibliothek zu. Die Hausdame Lilly brachte ihr gerade eine Kanne mit frischem Tee.
„Bei diesem Wetter ist Lesen das Beste“, bemerkte sie dabei. England hatte inzwischen wieder sein gewohnt trübes Wettergesicht aufgelegt. Es regnete.
Ein in Leder gebundenes, großes Buch fiel Tamara auf. Es handelte von alten Legenden und Geschichten aus Europa. Die dicken Pergamentblätter zeugten davon, dass es sich um ein Original handeln musste.
„Das muss ein Vermögen wert sein“, sagte Tamara zu sich selbst. Eine Zeichnung in diesem Buch erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie zeigte ein markantes Männergesicht mit
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