Lux Aeterna (German Edition)
großen dunklen Augen, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit Richard Tabatha aufwies. Die Zeilen darunter schienen in kyrillischer Schrift verfasst. Tamara machte einige Fotos mit ihrem Handy von dieser Seite. Dabei kamen ihr noch andere Dinge in den Sinn. Nirgendwo hatte sie bisher ein Foto entdeckt, nur alte Gemälde hingen an den Wänden. Richard ließ sich auch niemals fotografieren, das hatte ihr der Manager ebenfalls berichtet. Alle Abbildungen von ihm auf Konzertplakaten und in Zeitungen waren gezeichnet. Sie hatte das zunächst für einen weiteren Tick gehalten. Aber merkwürdig war es schon.
Jetzt ging Tamara mit anderen Augen durch Marywood. Der Zauberbann war wieder jenem mulmigen Gefühl bei ihrer Ankunft gewichen. Welches Geheimnis barg dieses alte Gemäuer?
Auf dem langen Gang zu ihrem Zimmer fiel ihr ein Gemälde besonders auf. Es zeigte eine junge, blonde Dame in altmodischer Reitkleidung. Sie trug eine weiße Rüschenbluse mit schwarzer Weste und einen weiten Reitrock. Zu ihren Füßen lagen zwei Windhunde. Was Tamara auffiel, war die kurze Halskette der Frau auf dem Gemälde – schwarzglänzende Perlen.
„Maria Tabatha“, las sie laut die Schrift auf dem Bild. Ihre Neugierde war geweckt. Dann suchte sie Lilly, um diese nach „Maria“ zu befragen. Die Haushälterin befand sich gerade im Foyer.
„Das war seine Schwester“, sagte Lilly auf Tamaras Frage.
„Schwester? Das Bild stammt doch aus dem achtzehnten Jahrhundert.“
Lilly schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
„Was geht hier vor?“ Tamaras Stimme klang jetzt streng. Die Hausdame mit dem sonst so sympathischen Lächeln war blass geworden.
„Bitte, Miss Hansen, fragen Sie nicht weiter. Es ist ein schreckliches Geheimnis.“ Tränen standen der kleinen, alten Dame in den Augen. „Ein Fluch liegt auf dieser Familie.“ Mit diesem Satz eilte Lilly in die Küche.
Tamara beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und sandte die Fotos aus dem alten Buch per Handy an Kommissar Welsch mit der Bitte um Übersetzung des Textes. Diese traf auch zwei Stunden später ein. Von einem gefallenen Engel war da die Rede, über den der Fluch des Blutes ausgegossen wurde.
‚Na toll, damit kann man ja echt was anfangen’ , dachte Tamara. Damit blieb der hübschen Frau nur noch eine Möglichkeit. Sie musste Richard Tabatha nach seiner Rückkehr direkt nach diesem Geheimnis fragen. Aber das könnte auch ein Fehler sein. Oder war dieses aufkeimende tiefe Gefühl der Zuneigung zu diesem Mann schuld daran, dass sie alle Vorsicht in den Wind schlug?
* * *
„Die Kette war der Lieblingsschmuck meiner Schwester Maria.“ Richard und Tamara standen jetzt gemeinsam vor dem Bild.
„Wie kann diese Frau deine Schwester sein? Das Bild ist uralt.“ Tabatha sah sie an.
„Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die besser nicht ausgesprochen werden. Und es gibt Dinge, die unsterblich sind.“
Tamaras Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. „Ich möchte alles wissen.“
„Nun gut“, gab der Künstler nach und wandte sich ab. „Aber es wird dein Leben verändern.“
Klang das nicht fast wie eine Drohung?
Gemeinsam gingen sie in das Musikzimmer, Richards Lieblingsplatz in diesem Haus. Regale mit Partituren befanden sich an einer Wand, Bilder verstorbener Komponisten und alte Instrumente hingen an zwei anderen Wänden. Vor der riesigen Fensterfront thronte ein schwarzlackierter Flügel. Richard nahm wie selbstverständlich auf der Klavierbank vor dem Flügel Platz und begann zu erzählen.
„Maria und ich wuchsen bei einem sehr herrschsüchtigen Vater auf. Unsere Mutter starb bei Marias Geburt. Um Vaters Zorn und Trunksucht zu ertragen, flüchtete ich mich in die Musik und Maria in die Jagd. Sie war eine leidenschaftliche Reiterin.“ Richard schlug einige leise Akkorde an und blickte aus dem Fenster.
Tamara stand seitlich am Flügel und schaute ihn gebannt an.
„Dann, eines Tages, beschloss unser Vater, dass Maria einen russischen Fürstensohn heiraten solle, um Geld in seine Kasse zu bringen. Maria weigerte sich, doch sie wurde brutal entführt und musste sich seinem Willen beugen. Einige Jahre hörte ich nichts mehr von meiner Schwester. Später gab es dann Gerüchte von einer gottlosen Jägerin, die Jagd auf Menschen machte.“ Richard atmete tief durch.
„Ich beschloss, nach Russland zu reisen und Maria zu besuchen. Und da bemerkte ich ihre schreckliche Verwandlung. Sie war längst kein Mensch mehr.“
„Du
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