Lux Aeterna (German Edition)
Luft.
Es klopfte und Kendra betrat den Raum.
„Das Frühstück ist angerichtet, Mylady.“ Kendra bemerkte die Traurigkeit auf dem Gesicht ihrer Herrin. Rabeas Augen waren jetzt nicht mehr violett, sondern von einem intensiven, dunklen Blau. Das zuvor leuchtendgoldene Haar hatte jetzt die Farbe von Honig angenommen. Die menschliche Gestalt forderte ihren Tribut, ihre Anpassung. Nur das Mal auf ihrer Stirn war noch deutlich zu erkennen.
„Wir müssen außerdem mit dem Training beginnen.“ Kendra mahnte leise an die Pflichten ihrer Herrin.
„Es ist gut. Ich komme gleich hinunter.“
Rabea kleidete sich an, doch sie wählte kein Frauengewand, sondern praktische Kleidung, die Kleidung einer Kriegerin. Braune Wildlederhosen mit hohen Stiefeln, ein weites, bequemes Hemd mit Rüschen am Kragen, einen breiten, nietenverzierten Gürtel, der Platz für einen Dolch bot.
Nach dem Frühstück trafen Rabea und Kendra im Fechtsaal ein. Die Waffe des Einhorns musste nun ersetzt werden, sei es durch Schwert oder Degen. Die Waffen der Lichtkämpfer waren alle geweiht und mit heiligen Symbolen versehen.
Kendra bezweifelte, dass ein Schwert für die graziöse Rabea die geeignete Waffe war und so wählte sie einen der eleganten Degen für sie aus. Mit einfachen Übungen machte sie die Königin des Lichtes mit ihrer zukünftigen Waffe vertraut.
Es dauerte nur wenige Stunden und die ersten Lektionen im Fechten zahlten sich aus. Rabeas Geschicklichkeit und Schnelligkeit waren unübertroffen. Ihre Gabe, die Züge ihres Gegners vorauszusehen, machte es ihr leicht, diesen immer öfter in die Enge zu treiben.
Am späten Abend war Kendra mit ihrer Schülerin zufrieden. „Ihr seid ein wahres Naturtalent, Mylady, und eine geborene Kämpferin.“ Kendra hob grüßend den Degen an die Stirn und neigte den Kopf.
„Ich muss Euch widersprechen“, warf Rabea ein. „Ich tue dies wirklich nur aus Pflichtgefühl, nicht weil ich den Kampf liebe, den ich auszufechten habe.“
Kendra verneigte sich wortlos erneut.
In den nächsten Tagen folgten weitere Übungen mit verschiedenen, auch stärkeren Gegnern und anderen Waffen. Nach zwei Wochen traten kampferprobte Krieger gegen Rabea an, doch keiner konnte sie besiegen. Sie war einfach nicht zu ermüden und stand noch auf den Beinen, wenn andere längst erschöpft am Boden lagen. Gute Voraussetzungen für eine Auseinandersetzung mit übernatürlichen Gegnern!
Die frühere Macht als Einhorn gab ihr immer noch Kraft. Der größte Teil der Magie aber wurde vernichtet als Preis für die Annahme einer menschlichen Gestalt, und Rabea musste daher auf irdische Waffen zurückgreifen. Und sie war sterblich geworden, doch nur durch die Hand eines Unsterblichen.
Kendra lehrte ihre Herrin auch den Umgang mit Pferden. Es war für Rabea ein seltsames Gefühl, fühlte sie sich doch mit diesen vierbeinigen Wesen verbunden. Aber die Erinnerung an ihre frühere Gestalt begann bereits zu verblassen. Sie bemerkte nur eine intensive, fast telepathische Verbindung zu Pferden.
Die Tiere gehorchten ihr bedingungslos, selbst jene, deren Temperament sonst nicht so leicht zu bändigen war. Kendra, die bereits eine Vertraute für Rabea geworden war, staunte über die seltenen Begabungen ihrer Herrin. Es war ihr eine Freude, die Fortschritte ihrer Herrin zu beobachten, und ihre gemeinsamen Ausritte in die hügelige, wilde Landschaft der Highlands ließen beide für kurze Zeit den eigentlichen Zweck ihrer Mission vergessen. Mal plauderten sie wie ganz normale junge Frauen, mal forderten sie sich gegenseitig zu einem wilden Galopprennen heraus. Bald beherrschte Rabea auch die hohe Kampfkunst zu Pferde. Den auf Holzpflöcken aufgespießten Strohpuppen schlug sie im vollen Galopp den Kopf ab. Noch war alles spielerisch.
Doch würde sie auch für den Kampf mit Nolan gerüstet sein? Der Fürst der schwarzen Engel würde alles versuchen, sie in seine Gewalt zu bekommen, und das tödliche Spiel würde bereits in der nächsten Woche beginnen. Dann war Vollmond und es war die Nacht, in der die Tore zwischen den Welten weit offen standen. Die Nacht, die die Menschen heute Halloween nannten. Kendra grübelte. Die Entscheidung würde vielleicht nicht in dieser Nacht fallen, es konnte genauso gut noch Jahre oder Jahrhunderte dauern.
Kendra sollte Recht behalten: Noch heute - zweihundert Jahre später - ging die Jagd weiter, nur das Schlachtfeld war ein anderes.
Am diesem ersten Abend zu Halloween saß Rabea in einem
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