Lux Aeterna (German Edition)
Sie eigentlich mit dem Dolch gemacht?“
Welsch blickte ihn scharf an. „Schlimm genug, dass ich ihn benutzen musste. Das Ding dürfte mittlerweile die Nordsee erreicht haben“, antwortete er in scharfem Tonfall. Gemeint war Hekates Dolch, mit der er damals die Fürstin Thalia di Marco vernichtet hatte und den er in die Elbe geworfen hatte.
Insgeheim bedauerte Jason diese Tatsache, aber er konnte es dem alten Polizeikommissar auch nicht verübeln. Sein ehemals so solides Weltbild war genug erschüttert worden, nachdem er den jungen Vampir – damals noch als Hybriden – kennen gelernt hatte. Im Gegensatz zu seiner Kollegin Rita aber konnte er sich niemals mit diesen Kreaturen anfreunden, geschweige denn sie akzeptieren.
An diesem eisigen Morgen hatte er noch nie so deutlich die Vergänglichkeit des Menschseins gespürt wie in diesen wenigen Minuten, als er neben dem alten Kommissar stand. Er konnte spüren, dass dessen Tage auf dieser Erde gezählt waren.
„Ich muss jetzt gehen“, meinte Jason nach einer Weile. Es wurde langsam Zeit, sich aus der Vergangenheit zu lösen und sich wieder um die Lebenden zu kümmern – und die Untoten.
„Alles Gute für Sie, mein Junge“, sagte Welsch leise und gab ihm zum Abschied die magere Hand. „Ich bleibe noch eine Weile hier.“
Jason wusste, dass er den Kommissar nie wieder sehen würde und ging langsam dem Ausgang zu.
Als Jason Celeste wieder traf, bemerkte er wohl die winzigen, roten Punkte an Celestes Hals, aber er stellte keine Fragen. Er hätte tief in ihren Geist eindringen müssen, um die Wahrheit herauszufinden, und das widerstrebte ihm zutiefst. Keiner von ihnen erwähnte die Releaseparty mit einem Wort. Der fiebergleiche Glanz in ihren moosgrünen Augen sagte ihm genug. Sie hatte definitiv Kontakt zu seiner Welt gehabt, und ein Teil von ihr war dort geblieben.
* * *
VI. Dunkle Absichten
Die erste dünne Schneedecke lag über den Cheviot Hills. Jason Dawn hatte Wort gehalten und war mit Celeste in die Cheviot Hills zu seinem Landhaus gereist, und das auf ganz normalen, menschlichen Reisewegen. Celeste hatte die Fahrt durch die wildromantische Landschaft genossen, trotz des trüben Wetters. Der gemietete Geländewagen stand nun vor dem großen braunen Holzportal. Das sonst von grünem Efeu umrankte Haus wirkte um diese Jahreszeit abweisend. Nur noch vereinzelte Blätter hingen an den vertrockneten Ästen. Der Garten war ebenfalls seit vielen Jahren nicht mehr richtig gepflegt worden, und die zahlreichen Rosenstöcke hatten lange keinen fachmännischen Schnitt mehr erhalten. Die letzten karmesinroten Blüten ließen traurig ihre welken Köpfe hängen. Eine steinerne Statue, die ein steigendes Einhorn darstellte, wurde fast völlig von den Rosenzweigen umrankt – das Grab der Fürstin Miriam.
Celeste schaute sich neugierig um, als Jason schon ihre Koffer und eine Kiste mit Lebensmitteln aus dem Wagen auslud . „Hier also hat er gelebt. Hier war er glücklich“ , dachte sie. „In dieser seltsamen Melancholie. Alles steckt voller Erinnerungen für ihn.“
Jason blickte zu ihr hinüber, als er ihre Gedanken auffing. „Du hast recht“ , gab er innerlich zu, „aber schlimmer sind die Erinnerungen, die man in sich trägt.“
„Komm, mach es dir erst einmal gemütlich. Ich zeige dir das Haus“, sagte er dagegen laut und legte einen Arm um seine menschliche Freundin. Drei verwitterte Stufen führten zur Eingangstüre, die einmal dunkelgrün gestrichen war, genau wie die hölzernen Fensterläden. Heute war die Farbe größtenteils abgeblättert.
Von außen trug dieses alte Gemäuer ein morbides Flair vor sich her, aber innen machte es einen durchaus gepflegten Eindruck und war im alten englischen Stil eingerichtet. Der Atem der Vergangenheit hing schwer in den verblichenen Brokatvorhängen.
Ein seltsames Gefühl beschlich Celeste, dieses Haus erschien ihr genau so untot wie seine früheren Bewohner. Gleichzeitig fühlte sie sich davon magisch angezogen. Seit dieser Party fühlte sie sich überhaupt so seltsam, wie schwerelos, irgendwo gefangen in einem zeitlosen Raum. Sie schob es auf den hektischen Job als Managerin. Wahrscheinlich war sie nur überarbeitet. Diese Auszeit über die Weihnachtsfeiertage täte ihr gut. Jasons Freunde schauten vielleicht vorbei, und sie würde diese Fürstin treffen, von der ihr vampirischer Freund schon so oft gesprochen hatte. Eine merkwürdige Vorfreude überkam die junge Frau. Es kam ihr
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