Lux Aeterna (German Edition)
Kommissar und seine Partnerin vorsichtig durch den Hinterhof in das alte Haus eindrangen, war der Entführer gerade wieder dabei, die Platte neu aufzulegen. Jason hatte die beiden Beamten bereits erwartet und folgte ihnen lautlos wie ein Schatten in den Keller hinunter. Gerade begann die Musik von neuem zu spielen.
Dietrich von Zell hatte seine Waffe gezogen und forderte die Mädchen damit auf, wieder mit dem Tanzen zu beginnen. Als diese die drei Eindringlinge im Türrahmen bemerkten, klammerten sie sich ängstlich aneinander. Das Überraschungsmoment war dahin.
Dietrich von Zell wurde sofort nervös und fuchtelte hektisch vor den kleinen Tänzerinnen mit seiner Waffe herum.
Der Kommissar fluchte. Er und Rita hatten ihre Waffen im Anschlag und konnten sie doch nicht nutzen, ohne die Mädchen zu gefährden.
Auch Jason waren die Hände gebunden. Er konnte vor ihnen nicht seine wahre Identität als Vampir preisgeben und den Entführer durch seine außergewöhnlich schnellen Reaktionen außer Gefecht setzen. Außerdem hätten seine spitzen Eckzähne die Kinder zu Tode erschreckt.
Rita bemerkte die Aussichtslosigkeit dieser Situation. Der Mann konnte sie kaum hören, es war also sinnlos, mit ihm ein Gespräch anzufangen. Vorsichtig legte sie ihre Waffe auf dem Boden ab und hob beide Hände. Der Entführer schien sich daraufhin etwas zu beruhigen.
Trotzdem trat Jason jetzt ganz bewusst vor, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, denn einen Untoten zu töten war mit einer Pistole nicht möglich. Wie von ihm geplant, zielte von Zell sofort auf den jungen Mann in Schwarz und drückte ab.
Rita sprang instinktiv mit einem lauten „Nein!“ dazwischen. Die Kugel erwischte sie dabei an der linken Schulter, und sie brach mit einem schmerzverzerrten Gesicht zusammen.
Kommissar Welsch drückte fast gleichzeitig ab. Die Kinder schrieen vor Angst. Von Zell lag tot am Boden. Alles geschah in Sekundenschnelle.
* * *
Rita Hold erwachte im Krankenhaus, es war bereits Abend. Jason Dawn stand vor ihrem Bett. „Musstest du unbedingt die Heldin spielen“, rügte er sie sanft. „Du brauchst doch keinen Unsterblichen zu beschützen.“
Rita lächelte gequält. Darüber hatte sie in diesem Moment überhaupt nicht nachgedacht.
Es war ein glatter Durchschuss gewesen und nach einer Woche konnte Rita das Krankenhaus wieder verlassen, natürlich nicht ohne Armbinde und Verband. Ein paar Wochen würde sie sich noch zuhause schonen müssen.
Sie hatte viel Zeit, sich Gedanken zu machen, über sich, ihren abgebrochenen Urlaub, die vielen seltsamen Fälle, die sie schon mit gemeinsam dem Kommissar und mit Jason gelöst hatte. Und natürlich über Jason selbst, den sie damals auf so makabre Weise kennen gelernt hatte.
An diesem Abend besuchte er sie wieder.
„Mir ist im Krankenhaus so eine Idee gekommen“, teilte Rita ihm mit und goss sich mit dem freien rechten Arm einen Kaffee ein.
„Ich höre“, forderte Jason sie zum Weiterreden auf.
„Der Spruch ging doch so: wenn du vor den Augen der Engel bestehst…“ Jason nickte zustimmend.
„Engel – so nennt man doch auch Kinder, unschuldige Wesen. Und du hast dein wahres Ich vor den Augen der Kinder verborgen, um sie nicht zu erschrecken…“
Dem jungen Unsterblichen ging ein Licht auf. „Und du hast aus freien Stücken dein Blut für mich vergossen, um mich zu schützen!“, rief er aus. Am liebsten hätte er sie gepackt und umarmt, doch das wäre zu schmerzhaft gewesen mit der verletzten Schulter. „Rita, wenn das stimmt…“, sagte er.
„Dann hast du beim lieben Gott wieder was gut“, lächelte Rita.
Jason gab ihr spontan einen Kuss auf die Wange und sie wich nicht einmal zurück. Konnte es sein, das Jason Dawn der einzige lebende Vampir mit einer Seele war?
Vielleicht hätte Rita aber auch den zweiten Satz aus dem alten Buch besser in ihrem Gedächtnis behalten sollen.
(11) Lebensadern
Das Erdbeben in Südostasien war eines der schwersten, das diese Region je erlebt hatte, und das Fernsehen berichtete pausenlos über die Hilfseinsätze. Ebenso pausenlos liefen die Spendenaufrufe, auch die zur Blutspende. Natürlich war es dazu eine gute Zeit, denn die Bereitschaft zum Geben war selten so groß unter der Bevölkerung wie nach einer Katastrophe. In diesem allgemeinen Durcheinander konnten leicht mal Dinge übersehen oder auch ganze Lieferungen vergessen werden – lebenswichtige Lieferungen, die man besser nicht vergessen
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