Lux Aeterna (German Edition)
besorgt.
„Worum geht’s denn?“
Keine Antwort, stattdessen die Gegenfrage: „Wie schnell können Sie hier sein?“
„In circa zwei Tagen, Chef! Ich stecke mitten in den Highlands.“ Natürlich wollte sie vor ihrem Chef nicht zugeben, dass sie zudem besonderes langsam fuhr, wegen des für sie ungewohnten Linksverkehrs.
„Was ist passiert?“, wollte Jason wissen.
Rita zuckte die Schultern. „Wollte er nicht sagen, aber er klang sehr aufgeregt.“ Dann packte sie alle Sachen wieder ein.
„Ich muss zum Flughafen Glasgow.“ Aber trotz ihrer Eile wollte sie Jason mit seinem Problem nicht so stehen lassen und blickte ihn entschuldigend an.
Hinter der Sonnenbrille, die er jetzt wieder – wie immer - tagsüber trug, blieben die schönen Augen verborgen. „Schon gut, geh ruhig. Wir sehen uns!“
Endlich zurück am Flughafen Hamburg fuhr Rita von dort aus direkt ins Büro. Sie war froh, wieder ihren eigenen Wagen und auf der „richtigen“ Straßenseite fahren zu können.
Kommissar Welsch erwartete sie schon. „Danke, dass Sie Ihren Urlaub abgebrochen haben.“
„Keine Ursache, Sie waren nicht der einzige Störenfried.“
Welsch nickte und reichte ihr den neuesten Fall hinüber. „Sehen Sie sich das an, aus der privaten Ballettschule von Frau Prusse sind zwei Mädchen verschwunden, gerade mal neun Jahre alt. Kurz nach der Generalprobe für eine Aufführung.“
„Gibt es schon Verdächtige?“, fragte Rita als sie die Akte entgegen nahm. Dann machte sie sich erstmal einen Kaffee. Tee konnte sie absolut nicht mehr ausstehen.
„Wir befragen die Klasse, die Eltern und die Lehrer. Die Mädchen müssen ja mit jemandem mitgegangen sein, dem sie vertrauen. Wenn das alles nichts bringt, müssten wir die gesamten Schülerlisten der letzten Jahre durchgehen. Da wartet eine Menge Arbeit auf uns!“
In diesem Augenblick bereute Rita es, so schnell wieder ins Büro gekommen zu sein.
Der Kommissar ahnte ihre Gedanken. „Ich weiß ja nicht, wie Ihre Zukunftspläne aussehen“, fuhr er langsam fort, „aber falls Sie …“
Rita blickte ihn gekünstelt von oben herab an. „Aber Chef, gerade wo wir hier auf dem Revier schon ‚die Unzertrennlichen’ genannt werden? So schnell werden Sie mich nicht los!“
Welsch ließ sich seine Freude darüber nicht anmerken.
* * *
Der Keller des abbruchreifen Backsteinhauses war teilweise ausgebaut worden. Eine verspiegelte Wand. Eine Ballettstange. Parkettboden. Es sah aus wie ein kleiner Tanzsaal. Die Räume dahinter waren dagegen staubig und seit Jahrzehnten nicht mehr aufgeräumt. Mitten zwischen dem Gerümpel aus Kartons, Koffern, Schaufensterpuppen und alten Kleidern lagen ein paar Matratzen. Die beiden kleinen Balletttänzerinnen Sandra und Stefanie waren eingesperrt.
Der Mann, der sie entführt hatte, hatte selbst auch ein Kostüm aus der Show getragen, und so waren sie ihm bedenkenlos gefolgt bis zum Lieferwagen. Sie sollten ihm helfen, noch ein paar Requisiten hinein zu tragen. Er hatte sie in den Wagen hineingestoßen und die Tür verschlossen.
Hier in diesem Kellerraum mit dem winzigen vergitterten Fenster hoch oben hatten sie die letzten Tage verbracht. Der Mann hatte ihnen Essen gebracht und Tanzkostüme mit Tüllröckchen. Sie sollten jeden Tag für ihn tanzen, aber er spielte immer wieder die gleiche Etüde auf dem alten Plattenspieler – stundenlang, bis sie anfingen zu weinen. Dann hatte er sie wieder eingesperrt. Sie hatten auch versucht zu schreien, aber niemand hatte sie gehört. Irgendwann hatten sie es dann aufgegeben.
Kommissarin Rita Hold stürmte ins Büro. „Aus der russischen Ballettakademie ist ein weiteres Mädchen entführt worden!“, rief sie ihrem verdutzten Chef zu.
„Verdammt! Wir hätten uns nicht nur auf diese eine Schule konzentrieren dürfen!“, fluchte der. Sein Blutdruck begann wieder mal zu steigen. „Rita, Sie sehen sich bei den Russen um, versuchen Sie, irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen den Schulen oder den Mädchen herauszufinden. Ich spreche noch mal mit der Direktorin von dem anderen Studio! Irgendjemand scheint hier seine eigene Tanztruppe zusammenstellen zu wollen!“
Am Abend wurde ein weiteres Mädchen in den Keller gesperrt. Die kleine Nicole war gerade elf Jahre alt geworden. Sie weinte und Sandra und Stefanie nahmen sie wortlos in die Arme. Der Mann hatte für sie ein drittes Ballettkostümchen in den Raum geworfen und die Tür wieder abgeschlossen. Morgen würden sie wieder tanzen
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