Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Großinquisitoren und der Bund der Zwölf
wussten damals und wissen heute von diesem Original.Liebe Catherine, die Enthüllung des Geheimnisses wird Sie viel Kraft kosten, rückt es das Fundament unseres Glaubens doch in ein völlig neues Licht. Es ist die bewegende Geschichte, wie Judas Ischariot sie leibhaftig erlebt hat, seit er ein kleiner Junge war, und nicht zuletzt deshalb ist diese Geschichte teilweise sehr emotional. Judas hatte ein viel empfindsameres Herz, als er es jemals zugegeben hätte – und so hatte ihn das Los des Verräters unter den Zwölf getroffen. Aber, um es vorwegzunehmen, dies ist nicht nur die Geschichte des Judas Ischariot. Es ist auch die Geschichte der Zwölf. Es ist die Geschichte jener Menschen, die Gott mit dem Neuen
Testament in die Welt entsandte, um die Menschheit aus der Dunkelheit zu führen.Liebe Catherine, sobald Sie dieses Zeugnis studiert haben, nehmen Sie es und meinen Brief und gehen Sie damit zu Seiner
Heiligkeit. Er wird die Bedeutung Ihrer Einweihung verstehen, denn er weiß, das Verborgene ist keine Illusion. Es gibt Kräfte in dieser Welt, die nicht nur einzelne Individuen vernichten können, sondern die gesamte Menschheit.Bitte vergessen Sie dabei niemals: Das Gute erscheint
manchmal in der Gestalt des Bösen, und das Dunkle erscheint nicht
selten in der Gestalt des Lichts.Vertrauen Sie auf Ihr Herz.Vertrauen Sie auf Ihre Gabe!Ihr Bruder in Jesu ChristoAntonio Benelli
Wortlos
reichte Catherine Ben das letzte Blatt. Als er geendet hatte, gab er ihr den kompletten Brief zurück und sagte mit leiser Skepsis: »Der Bund der
Zwölf? Das Evangelium des Judas Ischariot?«
Catherine begegnete seinem zweifelnden Blick. Sie konnte sein
Misstrauen durchaus verstehen. Er hatte nicht diese eindringlichen, alles verdrängenden und unbeschreiblichen Visionen und Träume erlebt, die
sie die letzten Tage immer wieder heimgesucht hatten. Catherine wusste,
sie verdankte es vor allem Benellis Energie, dass sie die Traumphasen
nicht völlig erschöpft, geschweige denn in den Irrsinn getrieben hatten.
Sie ließ den Brief in ihrem Ordensgewand verschwinden und nahm das
edle, in Leder gebundene Buch aus der Kassette.
»Schauen wir nach, was Seine Eminenz uns weiter zu bieten hat.«
Sie schlug die erste Seite auf und entdeckte einen handschriftlichen
Hinweis nebst einem Siegel, dass dieses Buch einst Pius XII. gehört
hatte.
Pius’ verschollene Geheimbibliothek! Catherine hatte von der Legende
gehört, aber offen gestanden nie wirklich daran geglaubt. So unglaublich viele Mythen rankten wie ein Irrgarten um den Vatikan und seine
geheimen Archive. Es war schier unmöglich, die Spreu vom Weizen zu
trennen.
Sie bemerkte, dass Ben, der neben ihr stand und das Siegel ebenfalls
erkannte, für einen Moment den Atem anhielt. Das päpstliche Siegel
mochte durchaus ein Beleg dafür sein, dass Benellis Ankündigung vom
wahren Evangelium des Judas auf einem ernstzunehmenden Fundament
basierte. Eine Ungeheuerlichkeit, die selbst Catherine, trotz ihrer
Visionen, erst einmal verarbeiten musste.
Sie schlug die nächste Seite auf und überflog hastig die Zeilen.
Du wirst der Dreizehnte sein, und du wirst verflucht sein von den
anderen Geschlechtern, und du wirst zur Herrschaft über sie kommen.
(Judas-Evangelium)
Catherine und Ben blickten sich kurz an. Dann blätterte sie eine Seite
weiter, und sie begannen in der Stille des Archivs zu lesen.
62.
Jerusalem, im Jahre 33 n. Chr.,
Aus dem Evangelium des Judas
Es war Gottes Plan. Und ich, Judas Ischariot, mochte diesen Plan von
allen am allerwenigsten.
Wir betraten die Welt der Menschen und öffneten die Augen wie
Neugeborene. Erst langsam, mit dem Heranwachsen, erinnerten wir uns
an den Plan Gottes und an den Grund unseres Hierseins. Auf dass in der
Dunkelheit Licht werde, waren wir aus dem Licht in die Dunkelheit
geworfen worden. Gabriel war unser einziger himmlischer Begleiter.
Maria von Magdala erinnerte sich als Erste von uns. Sie hatte die höchste Einsicht in den Willen Gottes. Sie war unser Gedächtnis, unser einziger
Angelpunkt. Ihr verdanken wir, dass wir am Ende nicht doch noch
gescheitert sind. Maria war stets da, wo Gabriel nicht sein konnte. Ihr
Licht zeigte und zeigt vor allem mir in der tiefsten Finsternis den Weg.
Der Zweite unter uns, der sich erinnerte, war Jesus, und das
Gewahrwerden seines Schicksals erfüllte ihn als Kind mit Angst und
Zorn. So ging er eines Tages voller Wut und
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