Lux perpetua
Medicus, kannst du mir
die Hand verbinden?«
»Einen Moment.« Reynevan zog sein Wams und das blutgetränkte Hemd aus. »Halt noch ein wenig durch. Ich hole mir nur Nadel
und Faden. Ich muss mich an ein paar Stellen wieder zusammennähen.«
Sie ritten, ohne die Pferde zu schonen. Reynevan war nicht der Einzige gewesen, der genäht werden musste, jetzt hockte er
zusammengesunken im Sattel und fauchte und fluchte von Zeit zu Zeit vor sich hin. Spytek z Melsztyna hatte im Kampf miteinem von den Pleß’schen Söldnern eine leichte Wunde am Oberschenkel davongetragen, einer der Mähren hatte einen Schlag in
die Rippen bekommen, recht hart hatte es Siestrzeniecs Knappen am Kopf getroffen. Aber alle hielten sich im Sattel. Sie stöhnten
und ächzten, aber sie verminderten das Tempo nicht.
»Bedřich? Wie geht’s deiner Hand?«
»Das ist doch eine Kleinigkeit. Ich habe nur um einen Verband gebeten, weil ich mir meine Hose nicht fleckig machen wollte.
Das ist eine neue Hose.«
»Warst du schon mal verwundet? Durch ein Eisen?«
»Vor Břeclav, im Jahr sechsundzwanzig, von einem ungarischen Spieß ins Schienbein. Warum fragst du?«
»Nur so.«
»Schilling
. . .
« Reynevan entschloss sich, endlich die heikle Frage zu stellen. »Wenn Schilling hier aufgetaucht ist, dann heißt das, dass
er aus dem Gefängnis entflohen ist. Das aber könnte bedeuten
. . .
Das könnte bedeuten, dass Horn
. . .
«
»Nein«, unterbrach ihn der Demerit sofort. »Das glaube ich nicht. Horn hätte sich nicht überraschen lassen. Andererseits
. . .
«
»Wir müssen uns vergewissern«, fügte Reynevan hinzu. »Wir schauen auf dem Eulenberg vorbei. Sobald wir nach Odrau zurückkehren.«
»Das dauert nicht mehr lange«, sagte Samson Honig ruhig. »Drei, höchstens vier Tage.«
»Samson?«
»Unser Kommandant hat schon wieder die Richtung geändert. Seit einer Stunde schon führt er uns nach Süden. Geradewegs zur
Mährischen Pforte. Jeden Augenblick werden wir Skotschau sehen.«
Reynevan fluchte gottserbärmlich.
»Stimmt, ich gebe es zu.« Bedřich, den sie hart angegriffen hatten, zuckte nicht mit der Wimper. »Ich habe euch bewusst in
die Irre geführt. Ich hatte nie die Absicht, nach Zator zu reiten.«
»Eine weitere Erprobung meiner Loyalität?«, knurrte Reynevan. »Ja? Ich weiß, dass es so ist!«
»Wenn du es weißt, weshalb fragst du dann?«
In dem mit einer dicken Schicht aus Wasserlinsen bedeckten Tümpel im Walde quakten Tausende von Fröschen, die sich gegenseitig
umklammert hielten.
»Du musst zugeben, dass du einem ganz schön auf die Nerven gehen kannst, Bedřich«, sagte Scharley. »Du hast dafür ein einzigartiges
Talent. Diesmal ist es dir sogar gelungen, einen so gelassenen Menschen wie mich aus der Fassung zu bringen. Und ich würde
dir ganz bestimmt die Schnauze polieren, wenn ich mich vor unseren ausländischen Gästen nicht schämen würde.«
»Ich hingegen«, sagte Siestrzeniec, ein Ausländer, »fühle mich durch Eure undurchsichtigen Manöver persönlich angegriffen.
Es ist Euer Glück, Herr Bedřich, dass Euer geistliches Gewand Euch schützt. Sonst würde ich Euch hier auf dem blanken Erdboden
Mores lehren. Und Eure Knochen zählen.«
»Dort in Zator«, warf Spytek z Melsztyna schnell ein, »warten Szafraniec und Oporowski auf uns! Wir sollten sie nach Mähren
geleiten und ihnen unterwegs Schutz angedeihen lassen! Hetman Prokop hat der polnischen Gesandtschaft Hilfe und Geleit versprochen!
Wir haben unser Ritterwort gegeben
. . .
«
»Der Unterkämmerer von Krakau«, Bedřich faltete die Hände über der Brust, »und der Vizekanzler der Krone befinden sich bereits
auf dem Wege nach Odrau, sie werden gewiss noch vor uns dort eintreffen. Männer, denen sie vertrauen, führen sie, und Schutz
benötigen sie nicht. Jetzt, wo sich Johann von Krawař dem Kelch angeschlossen und sich mit Tábor verbündet hat, sind die Wege
sicher. Schluss mit dem Gezeter, ihr Herren. Auf die Pferde und los!«
»Es mag ja bei euch Böhmen Mode sein«, Mikołaj Kornicz Siestrzeniec knirschte mit den Zähnen, »dass man Männer, welche die
Schwertleite empfangen haben, mit Lügen abspeist, auf Irrwege führt und ihre Meinung Gezeter nennt. In Polen geht so etwas
nicht ohne Strafe ab. Es ist Euer Glück, dass Euer Gewand Euch schü
. . .
«
»Was schützt mich?«, rief Bedřich, der schon im Sattel saß. »Mein geistliches Gewand? Wo siehst du denn solch ein Gewand an
mir?
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