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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Mund offen.
    Der Gefangene war Bruno Schilling. Der schwarze Reiter, der Renegat, der Deserteur der Todesrotte.
    Er erkannte Reynevan sofort. In seinen Augen glomm ein Blitz auf, ein böser Blitz, sein Gesicht wurde starr und verzog sich
     zu so einer Grimasse, wie sie Reynevan bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte, weder auf der Fahrt zur Olsa noch während der
     sechs Verhörtage auf dem Eulenberg. Er verstand sofort, was diese Grimasse bedeutete.
    »Das sind Hussiten!«, schrie Schilling und zerrte an seinem Seil. »Die da! Die Leute da! Das sind Hussiten! Böhmische Spione!
     He! Hört ihr nicht, was ich sage?«
    »Was willst du?«, fragte der Anführer der Reiter ihn barsch. »Was ist los?«
    »Das sind hussitische Spione!« Schilling besabberte sich fast. »Ich weiß das, ich kenne sie! Mich habt ihr in Fesseln gelegt,
     obwohl ich unschuldig bin! Das da sind wirkliche Bösewichte! Nehmt sie fest! Fesselt sie!«
    Spytek z Melsztyna wurde blass und knirschte mit den Zähnen, Siestrzeniecs Hand fuhr an den Schwertknauf. Bedřich gab seinen
     Mähren ein Zeichen. Scharley nahm seine Kappe ab und kam nach vorne.
    »Na, das ist vielleicht ein Schelm!«, sagte er fröhlich. »Da habt ihr aber einen großmäuligen Dieb gefangen, ihr Herren Soldaten,
     das kann man wohl sagen! Um seine eigene Haut zu retten, verleumdet er andere. Gebt dem mal in Pleß die Knute zu schmecken,
     Herr Offizier, spart bei dem Kerl nicht mit Schlägen! Soll er ruhig mal erfahren, wie man mit Verleumdern umgeht!«
    »Und Ihr?«, bellte der Schnauzbart. »Wer seid Ihr?«
    »Wir sind Kaufleute aus Elbing«, erklärte Bedřich ze Strážnice mit ruhiger Stimme. »Wir kommen gerade aus Ungarn zurück
. . .
«
    »Wenn Ihr Kaufleute seid, sind wir Nonnen.«
    »Ich verbürge mich
. . .
«
    »Er lügt!«, brüllte Schilling. »Das ist ein Hussit!«
    »Halt die Schnauze!«, herrschte ihn der Schnauzbart an. »Ihr aber, meine werten Herren, werdet euch mit uns nach Pleß bemühen,
     dort wird die Obrigkeit schon herausfinden, wer ihr seid, echte Kaufleute oder falsche. Petzold, Mladota, absteigen, durchsucht
     ihre Satteltaschen und Körbe. Und nehmt ihnen die Waffen ab!«
    »Herr Offizier!« Bedřich schob die Schöße seines Mantels leicht beiseite und klopfte bedeutungsvoll auf seine am Gürtel hängende,
     pralle Geldkatze. »Vielleicht könnten wir uns irgendwie einigen?«
    Der Schnauzbärtige lenkte sein Pferd näher heran und blickte auf sie herab. Dann verzog er sein mageres Gesicht zu einem verächtlichen
     Lachen.
    »In Pleß«, sagte er gedehnt, »zahlen sie für Häretiker mehr. Und weil du Schmiergeld zahlen willst, bist du ganz bestimmt
     ein Häretiker. Du wirst in Fesseln gelegt. Und dein elendes Geldsäckel gehört sowieso uns.«
    »Gott weiß«, der Prediger zuckte die Achseln, »dass ich das nicht wollte.«
    »Dass du was nicht wolltest?«
    »Das!«
    Bedřich ergriff die Armbrust, die ihm gereicht wurde, und legte die Säule mit einer fließenden Bewegung an seine Wange. Die
     Sehne schwirrte, der aus nächster Nähe abgefeuerte Bolzen fegte den Schnauzbärtigen aus dem Sattel.
    »Schlagt zu!«
    Spytek z Melsztyna hieb auf einen Söldner mit dem Schwert ein, Siestrzeniec griff die anderen an, abwechselnd mit Schwert
     und Streitaxt zuschlagend. Die Söldner sprangen mit Gebrüll auf sie zu, Lanzen und Äxte schwingend. Drei fielen vom Pferd,
     getroffen von den Armbrustbolzen der Mähren und der polnischen Knappen, ein vierter stürzte, von Scharley getroffen,in eine Pfütze. Die anderen machten sich mit Kampfgeschrei über sie her. Und da schlug Samson zu.
    Der Riese hatte eine Bank gepackt, die aus einer Baumstammhälfte gefertigt war, er hob sie hoch, als wäre sie federleicht,
     obwohl sie sehr schwer war. Und so wie einst der Riese Polyphem Felsbrocken nach des Odysseus Schiff geschleudert hatte, warf
     Samson Honig mit der Bank nach den berittenen Pleß’schen Söldnern. Und richtete ein schreckliches Gemetzel bei Mensch und
     Tier an.
    Reynevan, der geschickt aus dem Kampfgetümmel herausgeschlüpft war, wandte sich Schilling zu. Und sah etwas schier Unglaubliches.
    Der Renegat hatte sich an die Uniformjacke des Reiters geklammert, der ihn hinter sich hergezogen hatte. Der Reiter, ein kräftiger
     Mann, ließ sich nicht aus dem Sattel ziehen, er stieß Schilling von sich weg und versuchte, ihm einen Messerstich zu versetzen.
     Schilling wich dem Stich mit einer leichten Drehung und einer Beugung des Körpers aus, mit

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