Lux perpetua
Aufstand sein, Herr z Melsztynska.
Geht es Euch um einen Aufstand?«
»Nein, keinen Aufstand. Eine Konföderation. Um als Schild, als Schutz, als Ort unserer goldenen Freiheit zu dienen. Um die
Privilegien unseres Ritterstandes zu wahren. Um zu verhindern, dass den Interessen aller zuwider gehandelt oder Machtbefugnisse
überschritten werden, sei es vonseiten der Krone oder vonseiten der Kirche, um die Ordnung in einem schlecht regierten Königreich
aufrechtzuerhalten; wenn der Fortschritt aufgehalten oder gar rückgängig gemacht werden soll, benötigt man starke Mittel.
Kraftvolle. Mittel des Kampfes. Denn es gibt Übel, die zur Krisis führen und daher unbedingt starker Mittel bedürfen, will
man sie, wie auchimmer, beseitigen. Wie auch immer. Und sei es durch das Schwert.«
»Das klingt, als wäre es ernst.«
»Ich weiß.«
»Meine Herren!« Scharley stellte sich in die Steigbügel. »Hinter diesem Flüsschen erstrecken sich die Ländereien von Pleß.«
»Wir müssen achtsam sein«, sagte Bedřich. »Hier machen sie gnadenlos Hatz auf Hussiten und ihre Verbündeten. Die Witwe in
Pleß zahlt eine großzügige Summe für jeden, den sie fassen.«
»Ist sie denn immer noch Witwe?«, fragte Siestrzeniec verwundert. »Es hieß doch, sie würde sich mit Przemko von Troppau verheiraten.«
»Oh, Przemko hat diese Heirat durchaus erwogen«, bestätigte der Prediger. »Zum einen, weil durch die Ehe mit dieser Witwe
ihr Anteil von Pleß an Troppau käme. Zweitens, weil die Witwe ein recht ansehnliches Frauenzimmer ist; sie ist zwar nicht
mehr die Jüngste, aber eine gesunde und sinnliche Litauerin. Wer weiß, vielleicht ist der alte Przemko gerade davor zurückgeschreckt,
davor, dass er im Bett nicht mehr seinen Mann zu stehen vermag. Am Ende hat er irgendeine Bosnierin zur Frau genommen, und
die Witwe in Pleß ist Witwe geblieben. Aber die Gerüchte haben sich so hartnäckig gehalten, dass viele in ihr schon Przemkos
Frau gesehen haben. Und weil die Bosnierin durch Zufall auch Helena heißt, kommt das bei vielen eben durcheinander.«
»Helena von Pleß?«, erkundigte sich Reynevan. »Ist sie nicht Zygmunt Korybuts leibliche Schwester?«
»Gewiss doch«, bestätigte Spytek. »Die Tochter von Dimitrij Korybut Olgerdsohn. Die Nichte von König Jagiełło.«
»Nichte oder nicht«, unterbrach ihn Bedřich, »wir müssen uns vor ihr hüten wie vorm Teufel. Los weiter, treibt die Pferde
an. Je schneller wir uns von Pleß entfernen, umso besser.«
»Das schaffen wir schon.« Scharley trieb seinen Rappen an,indem er mit der Zunge schmalzte. »Bisher ist bei uns doch alles glattgegangen.«
Er hätte es nicht beschreien sollen.
»Herr!«, rief einer der Mähren, die sie als Wachen am Zaun vor der Schenke, in der sie Proviant kaufen wollten, zurückgelassen
hatten. »Herr! Da kommen welche!«
»Bewaffnete!«, meldete der andere. »Ein Dutzend Pferde
. . .
«
»Sammeln, Waffen bereithalten«, kommandierte Bedřich. »Ruhig bleiben, vielleicht ziehen sie vorbei.«
Siestrzeniec knüpfte eine schwere Streitaxt vom Sattel los und steckte sich einen Dolch hinten in den Gürtel. Spytek zog den
Griff seines Schwertes näher zu sich heran, verbarg jedoch die Waffe unter dem Mantel. Die Mähren banden hastig die Pferde
von den Stangen los. Samson schloss die Tür der Schenke und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
Scharley tippte Reynevan auf die Schulter.
»Nimm das.«
Die Waffe, die er ihm in die Hand drückte, war eine Armbrust. Eine Jagdwaffe mit herrlichen Intarsien am Schaft. Mit einem
leichten Bogen aus Stahl. Sie wurde mit einer deutschen Winde mit Zahnradkurbel gespannt.
Von der Straße her erscholl Hufgetrappel, ein Pferd wieherte, auf der von krummen Weiden gesäumten Straße tauchte eine Abteilung
von dreizehn Bewaffneten auf, die im Schritt in Richtung Pleß ritten.
»Ziehen sie vorbei?«, murmelte Bedřich. »Oder ziehen sie nicht vorbei?«
Sie zogen nicht vorbei. Sie ritten in den Hof. Man merkte gleich, dass dies keine einfachen Knechte waren, Uniform und Waffen
wiesen sie als Söldner aus. Reynevan sah, dass sie einen Gefangenen mit sich führten. Neben einem Pferd, an einem Seil, das
seine gefesselten Hände mit dem Sattelknauf verband, lief ein Mann her.
Der Anführer der Truppe, ein schmalgesichtiger Schnauzbart,bedachte Bedřich und seine Gefährten mit einem finsteren Blick. Der neben dem Pferd laufende Mann wandte den Kopf. Reynevan
blieb vor Staunen
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