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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einer kräftigen Bewegung der Schulter
     bog er den Arm des Soldaten um, zog ihn vom Pferd und stieß seinem Gegner das eigene Messer in die Kehle. Blitzschnell durchschnitt
     er dann seine Fesseln an der Schneide einer am Sattel hängenden Streitaxt, sprang in den Sattel und trieb das Pferd zum Galopp
     an.
    Und er wäre entkommen, wäre da nicht die Jagdarmbrust mit der deutschen Winde gewesen, in Nürnberg angefertigt, nach Krakau
     exportiert und nach Mähren, nach Odrau, gebracht, wo Scharley sie einem polnischen Waffenschmuggler für den durchaus annehmbaren
     Preis von vier ungarischen Dukaten abgekauft hatte. Reynevan stützte den Schaft auf den Zaun, zielte mit ruhiger Hand und
     schoss. Das in die Hinterhand getroffene Pferd stöhnte auf und schlug wie verrückt um sich, Schilling flog in hohem Bogen
     aus dem Sattel und tauchte in einen Haufen trockener Holzspäne ein. Reynevan stürzte sich mit seinem Messer, das er aus seinem
     Stiefelschaft gezogen hatte, auf ihn. Der Renegat sprang wie eine Katze auf und ließseine eigene Klinge blitzen. Sie bekämpften sich mit zahllosen Hieben, Stößen und Schlägen.
    Schilling machte einen überraschenden Ausfallschritt und versuchte, die ausgestreckten Finger seiner linken Hand in Reynevans
     Augen zu bohren. Reynevan rettete seine Augen durch eine ausweichende Kopfbewegung und wich vor einem weit ausholenden Hieb
     zurück. Einen zweiten Hieb parierte er mit der Klinge seines Messers, dass die Funken stoben. Schilling trat nach ihm und
     stieß gleichzeitig mit seinem Messer nach oben. Reynevan konnte sich zwar gerade noch schützen, aber dies war eine Finte gewesen.
     Der Renegat drehte sein Messer in der Hand und stach Reynevan in den Oberschenkel. Den jähen Schmerz verspürend, verlor Reynevan
     für einen Moment die Orientierung. Das genügte Schilling. Mit einer geschmeidigen Bewegung fuhr er herum und stach ihm in
     die Schulter.
    »Im Februar«, zischte er, nach vorn gebeugt, »bist du mit dem Leben davongekommen, weil ich krank war. Aber jetzt bin ich
     gesund.«
    »Du wirst gleich wieder krank werden.«
    »Damals habe ich dir nur das Ohr angesäbelt. Jetzt werde ich dich wie ein Schwein ausbluten lassen. Wie deinen Bruder.« Sie
     gingen wieder hauend und stechend aufeinander los. Reynevan wehrte einen hinterhältigen Stoß ab und schmetterte Schilling
     den Ellenbogen ins Gesicht, aus einer Drehung heraus besserte er mit der Faust nach, trat Schilling ins Schienbein, drehte
     sein Messer um und stieß es mit ganzer Kraft nach oben. Es zischte, die Klinge drang bis zum Heft ein. Der Renegat riss sich
     los und sprang nach hinten. Er sah den unter seinem Schlüsselbein herausragenden Griff an. Er packte ihn und zog mit einer
     einzigen Bewegung das Messer aus der Wunde. Dann warf er es hinter sich.
    »Hat überhaupt nicht wehgetan, ha, ha«, sagte er fröhlich. »Aber jetzt werde ich dir die Eingeweide heraustrennen. Ich werde
     deine Gedärme herausreißen, sie dir um den Hals wickeln und dort hängen lassen.«
    Reynevan wich zurück, stolperte und fiel. Schilling sprang auf ihn zu und schrie triumphierend auf. Als wäre er aus der Erde
     gewachsen, stand Scharley plötzlich vor ihm und zog ihm seinen Krummsäbel quer über den Bauch. Der Renegat hustete, blickte
     auf das hervorquellende Blut und hob sein Messer. Scharley schlug noch einmal zu, diesmal auf die rechte Schulter. Blut spritzte
     einen Klafter in die Höhe. Schilling sank auf die Knie, aber er ließ das Messer nicht los. Scharley schlug noch einmal zu.
     Und noch einmal. Nach dem zweiten Hieb fiel der Renegat um. Nach dem dritten rührte er sich nicht mehr.
    » Sit ei terra levis!
«, sagte Bedřich und machte über dem Toten das Kreuzzeichen. »Möge ihm die Erde und so weiter
. . .
Ich wage fast nicht zu fragen
. . .
Kanntet ihr ihn?«
    »Nur eine flüchtige Bekanntschaft«, antwortete Scharley und wischte den Griff seines Krummsäbels ab.
    »Und schon nicht mehr wichtig«, setzte Reynevan hinzu. »Streichen wir ihn von der Liste unserer Bekanntschaften. Ich danke
     dir, Scharley. Mein Bruder im Jenseits dankt dir auch.«
    »Wie auch immer«, Bedřich machte eine Grimasse und betrachtete seine verletzte Hand, »kein anderer als euer Bekannter hat
     die Pleß’schen Soldaten auf dem Gewissen, deren irdische Überreste dort in der Jauchegrube liegen. Wenn er nicht gewesen wäre,
     wäre es ohne Kampf abgegangen. Aber jetzt müssen wir uns aus dem Staub machen, und zwar schleunigst.

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