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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und dies werden die Prämonstratenser tun. Und alle Ausgaben bestreite ich, aus meiner
     Privatschatulle. Wohin zieht Ihr von Breslau aus?«
    »Nach Liegnitz. Zu Herzog Ludwig.«
    »Richtig.« Konrad blinzelte kurz. »Ludwig von Brieg ist ja der Schwager des Markgrafen. Ha, ich habe die berechtigte Hoffnung,
     dass sich Herzog Ludwig nun, wo er die berühmten Johanniter aus der Mark unter seinem Kommando stehen hat, durch größeren
     Kampfeswillen auszeichnen wird als bisher. Denn bis jetzt hat er sich im Kampf gegen die Hussiten nicht gerade hervorgetan.
     Er hat sich nur im Manöver bewährt. Denn ist ein schneller Rückzug etwas anderes als ein Manöver? Aber genug, genug von den
     unangenehmen Dingen. Eure Gesundheit!«
    »Ich will Euch eine Neuigkeit berichten«, der Bischof wischte sich den Mund ab und blickte in die Runde, »die uns gerade erst
     aus Frankreich erreicht hat, gemeinsam mit diesem vorzüglichen Burgunder, den wir trinken. In Chinon, am Hofe Karls VII.,
     ist ein Bauernmädchen aus Lothringen erschienen, ein einfaches Mädchen mit Namen Jeanne, eine Mystikerin, vielleicht auch
     eine Wahrsagerin, denn sie hat den König vollständig verhext und für sich eingenommen.
    Stimmen aus dem Himmel, sagte sie, hätten sie zur Erlöserin Frankreichs und zur Geißel Gottes gegen die englischen Eindringlinge
     berufen. Und wisst Ihr was? Sie hat nicht nur den unbeholfenen König, sondern auch die gesamte Ritterschaft und sogar das
     einfache Volk aufgerüttelt. Sie nennen sie
la Pucelle
, die Jungfrau, und unter ihrer Standarte ziehen alle nach Orléans, und den Engländern, die die Stadt belagern, schlottern
     vor Angst schon die Knie.«
    »So etwas schickt sich nicht für ein Mädchen.« Balthasar von Schlieben runzelte die Stirn. »Das ist auch wieder so eine neue
     französische Mode. In Eurem Palast, Bischof, haben wir aufder Dominsel in der Umfriedung auch so eine gesehen, in Männerkleidern, zu Pferde und mit einer Lanze. Ein Mädchen sollte
     keine Männerkleider tragen. Das ist eine Sitte wider Gott. Eine Gotteslästerung.«
    »Ich aber sage Euch«, der Bischof richtete sich auf, »der Zweck heiligt die Mittel. Ihr schätzt den Wert eines Symbols nicht
     richtig ein. Man kann sich die Seele aus dem Leib schreien, wenn es um Ehre und Vaterland, um den Glauben und die Kirche geht,
     keiner bewegt sich, es ist leeres Gerede, das sie kalt lässt. Aber gib ihnen ein Symbol, egal, welches, und sie ziehen wie
     der Rauch hinterher. So ein Symbol ist mehr wert als eine ganze Abteilung Soldaten. Wer weiß, vielleicht sollte ich mich auch
     hier bei uns in Schlesien nach einer solchen Jeanne umsehen. Ich lasse eine solche Jungfer zu mir kommen, sage ihr etwas über
     Stimmen vom Himmel, befehle ihr, dummes Zeug zu reden und die Leute gegen die Hussiten aufzuhetzen, ziehe ihr eine Rüstung
     an und drücke ihr eine Standarte in die Hand
. . .
Wer weiß, vielleicht hilft’s?«
    »Das sollte man aber nicht tun«, wiederholte der Herrenmeister noch einmal streng. »Männerkleider für ein Mädchen, das ist
     Sünde, Wollust, eine wollüstige Provokation und Gotteslästerung. Mädchen, die Männerkleider tragen und sich einbilden, dass
     sie den gleichen Rang einnehmen wie Männer, sollte man verbrennen. Verbrennen sollte man sie!«
    »Gewiss«, lachte Konrad. »Gewiss sollte man sie verbrennen! Aber erst, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben und nicht mehr
     gebraucht werden.«
     
    Vom Bischof zweiundzwanzig Groschen, rechnete Grajcarek zum wiederholten Mal, während er mit dem Finger in einer dunklen Ecke
     der Schenke »Zum blauen Karpfen« imaginäre Zahlen auf die Tischplatte kritzelte. Von der Frau mit dem Rosmarinduft dreißig.
     Von der Inquisition zwölf, wenig, die Pest über sie, geizig sind diese Pfaffen
. . .
Von den Fuggern zwanzig. Wenn man die Kosten abzog, blieben etwa fünfzigGroschen übrig. Der Frau musste man etwas für den Unterhalt geben, vier Kinder, verdammt noch mal, das fünfte unterwegs, Jesses,
     wann endlich würde dieses Weib, sobald es schwanger war, zu den Hexen gehen? Zurücklegen könnte man höchstens vierzig. Das
     war wenig. Immer noch zu wenig, um zusammen mit dem Schwager dem Ritter Werner von Pannewitz die Mühle an der Weide abzukaufen.
     Ritter von Pannewitz verlangte, die Teufel sollten ihn für seine Habgier in der Hölle braten, fünfundachtzig Mark für die
     Mühle
. . .
    Er musste noch mehr arbeiten. Und tätiger werden. Aber es wurde gefährlich. Inquisitor

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