Lux perpetua
Das Gewand geht mir am Arsch vorbei! Ich sag’s euch geradewegs ins Gesicht: Ich hatte einen Verdacht, ich habe keinem
von euch Brüdern getraut, ich habe euch auf die Probe stellen müssen, euch alle. Verstehst du das, Kornicz? Und was jetzt?
Fühlst du dich etwa in deiner polnischen Ehre gekränkt? Willst du dich schlagen? Willst du Satisfaktion? Bitte schön! Wer
von euch
. . .
«
Er beendete den Satz nicht. Samson Honig war auf seinem Hengst unvermittelt herangeritten. Er packte den Prediger beim Kragen
und an den Hosen, zog ihn aus dem Sattel, hob den Schreienden hoch und warf ihn in hohem Bogen in den mit Wasserlinsen bedeckten
Tümpel. Es platschte, es stank, und die Frösche verstummten für einen Moment.
Samson wartete schweigend, bis der Prediger wieder auftauchte, grün von lauter Wasserpflanzen und Schlamm ausspuckend.
»Ich habe mich in meiner Ehre gekränkt gefühlt«, sagte er. »Das hier genügt mir als Satisfaktion.«
Zehntes Kapitel
in dem wir wiederum Breslau besuchen, in den Tagen vor Ostern. Weil sich dort viele Dinge ereignen, von denen nicht zu berichten
schade wäre.
Am frühen Morgen war ein heftiger Regenschauer niedergegangen. Als die Sonne aufging, entzündete sie ein kupfergoldenes Feuer
auf den Kirchen der Stadt. Wie ein goldenes Vlies funkelte das Dach über dem Mittelschiff von St. Elisabeth, brannten in feurigem
Schein, der die Augen blendete, die Zwillingstürme von Maria Magdalena, blitzten die Kuppeln und Turmhelme von St. Nikolai,
St. Adalbert, St. Dorothea, St. Jakob, der Heilig-Geist-Kirche und der Kirche St. Maria auf dem Sande, auf allen fünfunddreißig
Breslauer Gotteshäusern. Himmlische Helle spiegelte sich in den Dächern der Stadt, die selbst der Ewigkeit anzugehören schien.
Klangvoll ertönten die Glocken der Himmelfahrtskirche. Breslau erwachte nun, am Schweidnitzer Tor begann man sich zu drängeln.
Es war der zwanzigste März Anno Domini 1429. Gregor Hejncze, der
inquisitor a Sede Apostolica specialiter deputatus
der Diözese Breslau reckte sich im Sattel und streckte sich. Es tut gut, wieder zu Hause zu sein, dachte er.
Die Glocken von St. Vinzenz begannen zum
Angelus
zu läuten. Die Johanniter senkten die Köpfe und bekreuzigten sich. Bischof Konrad nickte einem der Bedienten zu und ließ sich
den Kelch füllen. Den großen Kapitelsaal der Kommende auf dem Elbing erfüllte der edle Duft von mit Zimt, Ingwer und Rosmarin
gewürztem Burgunder.
Von der Kirche her erklang der Gesang der Mönche.
Gratiam tuam quaesumus, Domine ,
mentibus nostris infunde:
ut qui, Angelo nuntiante,
Christi Filii tui incarnationem cognovimus . . .
»Also«, der Bischof hob seinen Kelch, »Johann, der Kurprinz von Brandenburg und Markgraf von Brandenburg-Kulmbach, hat beschlossen,
Schlesien in seinem Kampf gegen die häretischen Böhmen zu unterstützen. Und er schickt uns vierhundert schwerbewaffnete Ritter
des Johanniterordens aus der Mark. Wer hätte das gedacht
. . .
Hat doch Johanns Vater, Kurfürst Friedrich von Brandenburg, geruht, eher an Polen als an Schlesien zu denken
. . .
Aber das ist nicht weiter wichtig. Dies ist eine huldvolle Geste des Markgrafen, sie ist es wert, darauf anzustoßen. Auf die
Gesundheit von Markgraf Johann! Und auf Eure Gesundheit!«
Balthasar von Schlieben, der Herrenmeister der Mark, erwiderte den Toast. Seine knöcherne, mit bräunlichen Altersflecken übersäte
Hand erzitterte unter dem Gewicht des Pokals.
»Die Hospitalritter des heiligen Johannes zu Jerusalem«, sagte er näselnd, »ziemt es nicht, angesichts der Bedrohung des Glaubens
und der Kirche untätig zu bleiben. Wir haben unsere Eide geleistet, und unseren Schwur halten wir. Wir, die Ritter der Ballei
Brandenburg, rühmen uns unserer Treue gegenüber unserem Eid und den Prinzipien des Ordens.«
»So ist es«, bekräftigte stolz Nikolaus von Thierbach, der Komtur von Wildenbruch.
»So wahr uns Gott helfe«, setzte Henning von Alzey, der Bruder des bei Neisse gefallen Dietmar, hinzu und schob sein Kinn
vor.
»Also lasst uns trinken, lasst uns trinken!«, drängte Konrad. »Zur Hölle mit den Hussiten!«
»Zur Hölle!«, knurrte Henning von Alzey. Der Bischof wusste, dass dessen anderer Bruder, Dietrich, bei Draheim gefallen war.
Im Kampf gegen die Polen.
»Eure Ritter, Meister Balthasar«, sagte der Bischof, sich an Schlieben wendend, »wird der Elbing während ihres Aufenthaltes
hier in Breslau als Gäste aufnehmen,
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