Lux perpetua
Süßigkeiten zusammen und entfernte sich mit aufreizend wiegenden Hüften.
»Die Reiter«, sagte der Mauerläufer, als sie allein waren, »stehen schon jetzt auf meinen Ruf hin bereit. Einige von der alten
Garde auf dem Sensenberg. Hier in Breslau habe ich mehr als ein Dutzend neue angeworben.«
»Die Gerüchte bewahrheiten sich«, der Bischof blickte ihn von unten her, unter halb geschlossenen Lidern an, »dass du sie
mithilfe schwarzer Magie anwirbst, dass sie zu dir hindrängen wie Motten ans Licht. Hayn von Czirne, der Anführer der Söldner,
hat sich beschwert, dass sie sein Fähnlein verlassen, um zu desertieren, ein Lump ist schlimmer als der andere. Aber die Johanniter?
Denn auch Herrenmeister von Schlieben hat sich beschwert.«
»Ich weiß, dass du es eilig hast, Väterchen. Daher bin ich nicht wählerisch, ich nehme, was kommt, Ganja und Haschisch tun
dann das Ihre. Hat sich noch jemand über mich beklagt?«
»Ulrich von Pack, der Herr auf Kleppen.« In Konrads Stimme schwang Spott mit. »Aber nun etwas anderes. Ich erkenne dich kaum
wieder, mein Sohn. Du und ein Fräulein?«
»Lass gut sein, Bischof. Und beruhige Pack.«
»Das habe ich schon getan. Ich musste mir nicht einmal große Mühe geben. Um wieder zum Thema zurückzukehren: Du hast also
Leute in Bereitschaft. Werden sie in der Lage sein, meine Sicherheit zu gewährleisten? Mich zu verteidigen? Falls, anders
als du denkst, Reinmar von Bielau ein Attentat auf mich planen sollte?«
»Reinmar von Bielau plant kein Attentat. Wenn du also meine Leute nur brauchst, um
. . .
«
»Nicht nur deshalb«, unterbrach ihn der Bischof.
Sie schwiegen eine Zeit lang. Aus den Frauengemächern drangen das Gebell des italienischen Hündchens und die melodische Stimme
Claudines, die ihre Dienerinnen mit Schimpfwörtern bedachte, herüber.
»Es sind unsichere und böse Zeiten«, sagte Konrad von Oels in die Stille hinein. »Und das Schlimmste liegt noch vor uns. Einige
Kriegszüge der Häretiker haben genügt, um Schlesien durchzurütteln. Die Leute sind verunsichert, in bösen Zeiten sind sie
geneigt, die Zehn Gebote, sämtliche Werte, Ehre, Pflichten und Schwüre hinter sich zu lassen. Schwache Menschen vergessen
ihre Bündnispartner, und die Schwächsten sehen ihre Rettung im Pakt mit dem Feind. Sie vergessen, was Recht, öffentliche Ordnung
und
amor patriae
bedeuten. Sie verlieren den Mut. Sie vergessen Gott. Und das, was sie Gott schuldig sind. Ha, möge Gott mit Gott sein, aber
sie wagen es zu vergessen, was sie mir schulden.«
»Diese Menschen, mein Sohn«, fuhr er nach längerem Schweigen fort, »muss man von diesem bösen Weg abbringen.Ihnen eine Lektion erteilen, sie Patriotismus lehren. Und wenn das noch nicht genügt, muss man
. . .
«
». . . sie aus diesem irdischen Jammertal herausholen«, fügte der Mauerläufer, den Satz beendend, hinzu, »und die Schuld dafür
Dämonen und hussitischen Terroristen geben. Wird erledigt, Bischof. Zeige mir nur, wen, und erteile mir deine Befehle.«
»So mag ich dich, Birkhart«, seufzte der Bischof, »genau so.«
»Ich weiß.«
Sie schwiegen beide.
»Terrorismus ist eine nützliche Sache.« Der Bischof seufzte erneut. »Wie viele Probleme kann man damit aus der Welt schaffen!
Wie würden wir uns ohne ihn behelfen? Wem würden wir für alles die Schuld geben, auf wen würden wir alle Schuld schieben?
Vero ,
wenn es den Terrorismus nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.«
»Na bitte.« Der Mauerläufer lächelte. »Wir denken gleich, wir benutzen sogar dieselben Worte. Und du verleugnest mich immer
noch, Väterchen.«
Wie sie da so am Tisch saßen und einem Hecht in Aspik zusprachen, das von Safran gelb war, hätte keiner, aber auch wirklich
keiner sie für leibliche Brüder gehalten. Aber dem äußeren Anschein zum Trotz waren sie Brüder. Der ältere, Konrad, der Bischof
von Breslau, war von seinem Äußeren her ein echter schlesischer Piast, ein kräftiger, rotwangiger, gesunder Genussmensch.
Der lange Bart und die asketisch eingefallenen Wangen Konrad Kantners, des Herzogs von Oels, ließen diesen eher wie einen
Eremiten aussehen.
»Nur Verdruss habe ich durch diese Kinder, die ich gezeugt habe«, beklagte sich Konrad Kantner noch einmal und angelte in
der Schüssel, um sich die nächste Portion Hecht zu nehmen. »Nichts anderes, nur Verdruss.«
»Ich weiß.« Der Bischof hüstelte, räusperte sich eine Weile und spie eine Gräte aus. »Ich weiß, wie
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