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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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eine Abwehr, irgendeinen schützenden
     Talisman. Ich habe es nicht geschafft, seine Gedanken zu lesen, aber wenn er etwas vorgetäuscht oder nur so getan hätte, als
     ob, dann hätte mir mein Zauber das angezeigt. Nein, Kundrie, Gregor Hejncze wusste nichts von Reynevan, die Nachricht hat
     ihn erstaunt; dass Reynevan hier jemanden gesucht hat, hat ihn überrascht. Kaum zu glauben, aber es sieht ganz so aus, als
     wüsste Hejncze nichts von Apoldas Tochter. Dies würde aber bedeuten, dass es nicht die Inquisition war, die sie entführt hat.«
    »Das ist eine voreilige Schlussfolgerung.« Kundrie blinkerte mit allen vier Augenlidern. »Hejncze ist nicht die Inquisition.
     Hejncze ist ein Rädchen im Getriebe. Und dennoch bemüht sich der Bischof mit allen Kräften, dieses Rädchen schlechtzumachen
     und lahmzulegen. Vielleicht haben die Intrigen endlich Erfolg gehabt? Vielleicht kommt Hejncze in diesem Getriebe schon gar
     keine Bedeutung mehr zu, oder er ist so unwichtig, dass man ihn nicht informiert hat? Vielleicht geschehen manche Dinge ja
     auch hinter seinem Rücken?«
    »Vielleicht, vielleicht, vielleicht.« Der Mauerläufer nagte an seiner Unterlippe. »Ich habe genug von all diesen Hypothesen.
     Ich benötige Fakten. Die Arkana, Kundrie, die Arkana. Nekromantie und die ›Goetia‹. Ich habe eigens Leute nach Schönau geschickt,
     damit sie persönliche Dinge von Apoldas Tochter entwenden, Gegenstände, die sie berührt hat. Man hat sie dir gebracht. Was
     ist damit?«
    »Ich werde es dir zeigen.« Die Neuphra erhob sich schwerfällig von ihrem Dantesessel. »Komm.«
    Der Mauerläufer dachte, er wüsste, was ihn erwartete. Kundrie wandte meist die Magie der Longaevi an. Offensichtlich verärgert
     über die mangelhaften Ergebnisse, hatte sie sich hier der Magie der Nephandi bedient. Der Mauerläufer sah zu und schluckte
     rasch den Speichel hinunter, der sich in seinem Mund sammelte.
    Auf dem Tisch lag ein Kreis, dessen Rand aus einem langen Streifen Haut bestand, die man einem Menschen bei lebendigem Leibe
     abgezogen hatte. Auf der Haut lagen, die Winkel eines Dreiecks bildend, die Hörner eines Bockes, eine mumifizierte Fledermaus
     und ein Katzenschädel. Die Fledermaus war in Blut ertränkt worden, die Katze hatte man, bevor sie getötet wurde, mit Menschenfleisch
     gefüttert. Was mit dem Ziegenbock geschehen war, wollte der Mauerläufer lieber nicht wissen. In der Mitte des Kreises, mit
     einem Hufnagel am Tisch befestigt, lag der Kopf eines Toten, der verweste und mehr als nur ein bisschen stank. Die Augen,
     die sich am schnellsten zersetzten, hatte Kundrie bereits herausgepult und die Augenhöhlen mit Wachs gefüllt. Der Mund des
     Kopfes war verkohlt, die Lippen hingen in sich ringelnden Streifen herab, eingerollt wie faulende Rinde.
    Vor dem Kopf des Toten lagen die Totenhände, ebenfalls am Tisch festgenagelt. Zwischen den Händen hockte etwas, dem man die
     Haut abgezogen und das man massakriert hatte: eine große Ratte oder ein kleiner Hund.
    »Den Schal, den sie mir gebracht haben, habe ich vorsorglich in kleine Stücke zerteilt.« Kundrie zeigte ihm ein Stückchen
     graue Wolle. »Das ist alles, was davon noch übrig ist. Schau.«
    Sie legte Fetzen davon zwischen die Hände. Diese zitterten und flatterten, ihre Finger begannen sich plötzlich wie Würmer
     zu krümmen und zu winden, als versuchten sie, den Fetzen zu ergreifen. Kundrie hob ihre Hände und hielt sie über den Tisch.
     Ein unkontrolliertes Zittern erfasste ihre Finger, sie ahmten genau die Bewegungen der auf den Tisch genagelten Hände nach.
    »Iä! Iä! Nya-hah, y-nyah! Ngg-ngaah-Shoggog!«
    Die Totenhände gerieten in Raserei, zappelten wild unter den Hufnägeln und trommelten auf den Tisch. Die verkohlten Lippen
     des Totenkopfes begannen sich zu bewegen. Aber statt der Worte, auf die sie warteten, schoss eine gewaltige blaue Flamme aus
     ihnen hervor, eine Feuerzunge, die sogleich den grauen Schalfetzen erfasste und in eine Prise grauer Asche verwandelte. Alles,
     was auf dem Tisch lag, verwandelte sich nun in das Stillleben eines Schlächters.
    »Was meinst du dazu, mein Sohn?«
    »Gegenmagie.«
    »Und zwar eine äußerst mächtige«, bestätigte Kundrie. »Jemand stört. Jemand will nicht, dass wir die Tochter Apoldas, oder
     wie sie heißt, finden sollen. Diese Magie ist keine gewöhnliche Magie, sie weist astrale Elemente auf, siderische. Nicht jeder
     Magier ist in der Lage, siderische Elemente zu verwenden
. .

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