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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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daher wissen, was Euer Eminenz in dieser Angelegenheit zu tun beabsichtigen.«
    Konrad wurde wieder ernst und heftete seine Augen auf den Inquisitor.
    »In welcher Angelegenheit?«, fragte er mit bedrohlichem Unterton. »Ich sehe keine Angelegenheit. Siehst du vielleicht eine,
     Gregor? Willst du mir etwa zu verstehen geben, dass ich Birkhart von Grellenort, obwohl er mein Vertrauter und den Gerüchten
     zufolge sogar mein Bankert ist, mit Schimpf und Schande davonjagen, verdammen, mit dem Bann belegen und heimlich einsperren
     oder umbringen soll? Dass ich dies zum Wohle des Glaubens tun soll, weil Birkhart von Grellenort eine
persona turpis
ist, die unsere Bündnisse und die guten Beziehungen zu unseren Nachbarn gefährdet? Ich könnte dir entgegnen, Gregor, dass
     die Bündnisse und guten Beziehungen eher dumme und kleinkarierte kirchliche Würdenträger gefährden, die wie Kinder schmollen,
     wenn man ihnen das Spielzeug wegnimmt. Das könnte ich, aber ich tue es nicht. Ich gebe dir eine andere Antwort, eine kurze
     und deutliche: Wenn irgendwer, sei es ein Bischof, ein Kardinal, ein Suffragan oder ein Inquisitor, das ist mir ganz egal,
     versucht, Birkhart von Grellenort zu behelligen, so wird er dies, so wahr Gott im Himmel ist, schwer bereuen.«
    »Gott im Himmel«, erwiderte Hejncze, ohne mit der Wimper zu zucken, »sieht und hört alles. Mit dem Maß, mit dem Ihr messt,
     werdet Ihr auch gemessen. Wehe jenen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die Dunkelheit in Helligkeit und Helligkeit
     in Dunkelheit verkehren.«
    »Banal, Gregor, banal. Du zitierst aus der Bibel wie ein Dorfpfarrer. Ich habe gesagt, lass Grellenort in Ruhe und lass mich
     in Ruhe. Such lieber den Balken in deinem Auge. Aber vielleicht bevorzugst du ein anderes Bibelzitat. Vielleicht eines aus
     dem Korintherbrief? Ihr könnt nicht zugleich den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Dämonen; ihr könnt nicht zugleich
     am Tisch des Herrn teilhaben und am Tisch der Dämonen. Reinmar von Bielau, sagt dir dieser Name etwas? Der Häretiker, den
     du in Frankenstein durch deine höchstpersönlicheIntervention vor der hochnotpeinlichen Befragung bewahrt hast? Und den du so lange verborgen hast, bis es ihm gelang, zu fliehen?
     Du hast deinen Freund begünstigt. Denn er ist doch dein Freund, dein Kumpel, dein Kommilitone von der Universität. Reynevan
     von Bielau, der verfluchte Häretiker und Verbrecher, Magier und Nekromant, eine
persona turpis,
wie sie im Buche steht. Du hast mit einem Nekromanten am Tisch der Dämonen gesessen, Inquisitor. Sag mir, mit wem du Umgang
     pflegst, und ich sage dir, wer du bist. Es interessiert dich vielleicht, dass sich besagter Bielau vor einem Monat in Breslau
     aufgehalten hat.«
    »Reinmar von Bielau?« Gregor Hejncze gelang es nicht, seine Verwunderung zu verbergen. »Reinmar von Bielau war in Breslau?
     Was hat er hier denn gesucht?«
    »Woher soll ich das wissen?« Der Bischof beobachtete ihn unter den halb geschlossenen Lidern hervor. »Es ist die Aufgabe des
     Inquisitors, nicht meine, Juden, Häretiker und Renegaten zu verfolgen, zu wissen, was sie planen und mit wem. Und mir scheint,
     Gregor, dass du weißt, warum Bielau hergekommen ist, oder besser, wen er hier gesucht hat.«
     
    Von der nahen Peter-und-Pauls-Kirche her erklang ein grässliches Gerassel, das die Ohren schmerzte. Während der letzten drei
     Tage vor Ostern wurden keine Glocken geläutet, Holzratschen riefen die Gläubigen ins Gotteshaus.
    »Hejncze wusste nichts davon.« Grajcarek verbeugte sich unterwürfig. »Er wusste nichts davon, dass Bielau in Breslau war.
     Er wusste auch nicht, weshalb, zu welchem Zweck. Grellenort ist im Bischofspalast gewesen, er hat sich versteckt, hat alles
     mitgehört, und als der Inquisitor gegangen ist, hat er sich mit dem Bischof gestritten. Der Bischof hat behauptet, Hejncze
     hätte nur so getan, als wäre er überrascht, er sei ein Schlaumeier und alter Fuchs, der die Spielchen und geheimen Machenschaften
     der römischen Kurie genau kennt. Grellenort hingegen
. . .
«
    »Grellenort«, warf die nach Rosmarin duftende Frau mit derAltstimme nachdenklich ein, »Grellenort neigte eher dazu, anzunehmen, dass Hejncze wirklich und wahrhaftig überrascht war.«
     
    »Er war wirklich und wahrhaftig überrascht«, wiederholte der Mauerläufer eindringlich. »Ich bin mir dessen absolut sicher.
     Aus meinem Versteck heraus habe ich einen Zauber auf ihn geworfen. Er verfügte natürlich über

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