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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Deo.
    Alleluia!
    Auf der Dominsel hatte sich fast ganz Breslau versammelt. Vor dem Dom und den beiden Kollegiatstiften herrschte dichtes Gedränge,
     die Menge drohte, die Hellebardenträger, die denWeg für die Prozession des Bischofs, der Prälaten, Mönche und Kleriker freihielten, zu überlaufen. Die Prozession führte vom
     Dom zu St. Ägidius und von dort zur Heilig-Kreuz-Kirche, zur jeweils nächsten Messe.
    Surrexit Dominus de sepulcro
    qui pro nobis pependit in ligno.
    Alleluia!
    Die unter einer Kapuze verborgene, nach Rosmarin duftende Frau fasste Grajcarek am Ärmel und zog ihn zur Wand hin, hinter
     den Strebepfeiler der Taufkapelle.
    »Was willst du?«, knurrte sie. »Was gibt es denn so schrecklich Wichtiges? Ich habe dir gesagt, du sollst dich tagsüber nicht
     mit mir treffen. Und erst recht nicht an einem solchen Tag.«
    Grajcarek schaute sich um, wischte sich den Schweiß von der Stirn und leckte sich die Lippen. Die Frau beobachtete ihn aufmerksam.
     Der Spion räusperte sich, öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Plötzlich wurde er blass.
    Aha, kombinierte die Frau blitzschnell, der Bischof hat mehr gezahlt.
    Der Spion wich zurück und stieß mit dem Rücken gegen das harte Mauerwerk, mit zitternder Hand versuchte er, in der Luft ein
     magisches Zeichen zu machen.
    Die Frau sprang auf ihn zu und schlug auf ihn ein, schnell, ohne auszuholen. Mit dem Knie presste sie ihn gegen die Mauer.
    »Ein guter Jude ist kein Verräter«, zischte sie. »Du bist ein schlechter Jude, Grajcarek.«
    Ein Messer blitzte auf, der Spion röchelte und griff sich mit beiden Händen an den Hals, zwischen seinen Fingern schoss das
     Blut hervor. Die Frau warf ihm den Mantel über den Kopf, stieß den Spion zu Boden und verschwand in der Menge.
    »Fangt sie!«, schrie Kutscher von Hunt seinen Leuten zu. »Fasst sie!«
    Die Menge geriet in Bewegung.
    Advenisti, desiderabilis ,
    quem expectabamus in tenebris . . .
    Sich wie ein Maulwurf auf dem Boden durch die Menge wühlend, holte einer der Agenten die Frau ein und packte sie an der Schulter.
     Er blickte in die gelbgrünen Augen. Es gelang ihm nicht einmal, zu schreien, das Messer blitzte auf und durchtrennte ihm Kehlkopf
     und Rachen. Ein anderer Agent verstellte der Frau den Weg, die Menschenmenge wogte und drängte sich enger aneinander. Der
     Agent stöhnte, seine Augen brachen, er fiel nicht zu Boden, er verharrte schwebend, leblos wie eine Puppe, zwischen Himmel
     und Erde im Gedränge. Die Menschen begannen zu schreien, ein kleines Mädchen stieß einen hohen, schrillen Schrei aus und verschmierte
     mit steifen Händchen das Blut auf seinem weißen Festkleidchen. Kutscher von Hunt drängte sich durch das Gewühl, er fand aber
     nur noch Tote. Blut, das von vielen Füßen auf dem Pflaster verteilt wurde. Und einen schwachen Duft nach Rosmarin.
    Alleluia, alleluia !
    Die Auferstehungsprozession näherte sich der Heilig-Kreuz-Kirche.
     
    »Herr
. . .
«, stammelte Pater Felician und verbeugte sich mehrmals. »Ihr habt befohlen, ich solle melden
. . .
Ich bin bereit
. . .
Darf ich sprechen?«
    »Du darfst.«
    »Dann spreche ich
. . .
Es ist so, hört mir zu
. . .
In Karlshöhe war nämlich Pferdemarkt
. . .
Mit Pferden haben sie dort gehandelt
. . .
«
    »Genauer«, zischte der Mauerläufer. »Genauer, Pfaffe. Langsamer, deutlicher und genauer.«
    »Euer Hochwohlgeboren haben doch befohlen, ich solle etwas über das Mädchen herausfinden
. . .
Das sie versteckt halten. Ich sollte doch sogleich melden
. . .
Ich habe bei St. Adalbert gelauscht
. . .
Als die Agenten der Inquisition miteinander geschwatzt haben
. . .
Dzierżka, die Witwe des Zbylut von Szarada, die Pferdezüchterin aus Schalkau bei Neumarkt
. . .
Die ist zum Pferdemarkt in Karlshöhe gekommen. Und ein Mädchen war bei ihr. Angeblich ihre Tochter, aber alle wissen doch,
     dass diese Dzierżka gar keine Tochter hat
. . .
Na, das hat Aufsehen erregt bei den Kaufleuten, denn viele haben schon überlegt, wie sie wohl mit der Witwe anbandeln könnten,
     schließlich besitzt diese das beste Gestüt in ganz Schlesien
. . .
Und jetzt das, eine uneheliche oder angenommene Tochter, die womöglich alles erbt
. . .
«
    »Zur Sache!«
    »Zu Befehl. Dieses Mädchen, die angenommene Tochter, hat ein Agent einem anderen erzählt, die sei aus dem Nichts gekommen,
     gerade so, als ob sie vom Himmel gefallen wäre, und die lebt nun in Schalkau. Da hab’ ich gedacht: Vielleicht ist das ja das
     Mädchen, das Bielau

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