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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Bischof ihn, »wirf einen Blick darauf.«
    Der Inquisitor tat es. Er kannte zwar die derzeitige militärische Situation, aber die schönen Figürchen waren einen Blick
     wert. Die Teufel mit dem herausgereckten Hintern hatte man in der Gegend von Oschatz postiert, einer Stadt, die vom Heer Prokops
     des Kahlen vor vier Tagen, am neunundzwanzigsten Dezember, in Brand gesetzt worden war. Die Böhmen waren die Elbe entlang
     in Richtung Pirna gezogen, unterwegs alles mit Feuer und Schwert zerstörend. Sie hatten die Bergbauregionen um Marienberg
     und Freital verwüstet. Dann waren sie, auf dem Weg dorthin die Dörfer niederbrennend, nach Freiberg, Dresden und Meißen weitergezogen,
     hatten aber keine Zeit damit vertan, die befestigten Städte zu belagern. Mit ihrem schnellen Marschtempo hatten sie die Pläne
     des sächsischenKurfürsten Friedrich zunichte gemacht und ihn und seine Verbündeten zur taktischen Kehrtwendung gezwungen. Das hatte zur Folge,
     dass die Engelsfigürchen jetzt eine dicht gedrängte Gruppe bildeten, die nördlich der Aufschrift LIPSIA stand.
    »Das hier«, der Bischof fuhr mit dem Finger eine Engel und Teufel trennende blaue Linie entlang, »ist der Fluss Mulde. Prokop
     will tief ins Innere Sachsens eindringen, er muss also den Fluss überqueren. Er wird sicher hier übersetzen, in der Gegend
     von Grimma. Kurfürst Friedrich könnte sich das zunutze machen. Er könnte die Ketzer beim Übersetzen zermalmen und sie in der
     Mulde wie Katzen ersäufen. Es würde schon genügen, den Verstand zu gebrauchen und Mut zu fassen. Was glaubst du, Gregor, wird
     der Kurfürst seinen Verstand gebrauchen?«
    »Ich bezweifle es ernsthaft.« Der Inquisitor blickte auf. »Sowohl was den Verstand des jungen Kurfürsten wie auch seinen Mut
     betrifft. In diesem Krieg hat er sich bisher noch nicht durch Tapferkeit ausgezeichnet. Wenn ich ihn mit jemandem aus der
     Antike vergleichen sollte, dann nicht mit Julius Cäsar. Eher mit Quintus Fabius Maximus Verrucosus, genannt Cunctator.«
    »Und seine Verbündeten? Findet sich denn unter ihnen niemand, der vernünftig und mutig ist? Kein Cäsar? Ich denke dabei nicht
     an den Kurprinzen der Mark und Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach, Johann, diesen von Visionen geplagten Sonderling. Wen
     gibt es denn sonst noch, der Schneid hätte?«
    »Die Geistlichen natürlich.« Gregor Hejncze lächelte. »Einige von ihnen wenigstens. Mit Sicherheit Günther von Schwarzburg,
     der Erzbischof von Magdeburg.«
    »Ich habe mir schon gedacht, dass du auf ihn zu sprechen kommst.« Konrad nickte. »Ja, Erzbischof Günther von Schwarzburg ist
     jemand, der herausfinden könnte, wie man den Hussiten das Übersetzen über die Mulde gründlich verdirbt. Er könnte seinen Vorteil
     nutzen und Friedrich helfen,diesen Angriff zu planen und durchzuführen. Aber wir können hier nicht herumrätseln und uns auf einen Zufall verlassen, man
     muss Günther diesen Gedanken nahelegen. Jemand muss nach Leipzig mit einer Botschaft, so schnell die Pferde können.«
    Der Inquisitor warf dem Bischof einen bedeutsamen Blick zu und hüstelte in seine Faust.
    »Ich weiß.« Konrad verzog das Gesicht, als hätte er Essig getrunken. »Ich weiß, der Erzbischof von Magdeburg ist wegen Grellenort
     schlecht auf mich zu sprechen. Daher muss ich auf dich zurückgreifen, Inquisitor. Was du ihm sagst, wird Günther sich aufmerksam
     anhören, er schätzt die Inquisitoren, unterstützt sie und ihr Tun und beteiligt sich aktiv daran.
Crescit cum magia haeresis et cum haeresi magia
, aber ein Tag ohne Scheiterhaufen ist ein verlorener Tag, das ist nun mal seine Devise. Mit beträchtlichem Erfolg. In Magdeburg
     siehst du im Umkreis von fünf Meilen keine Hexe und keinen Juden mehr. Man kann ihn nur darum beneiden. Und bedauern, dass
     es in Breslau nicht ebenso ist
. . .
Nimm es dir nicht zu Herzen, Gregor.«
    »Das tue ich nicht. Lasst uns zur Sache kommen.«
    »Hast du jemanden, der so eine Mission durchführen könnte?« Der Bischof hob den Blick von der Landkarte. »Jemanden, der nach
     Sachsen zu Günther von Schwarzburg geht? Einen treuen, zuverlässigen und vertrauenswürdigen Mann?«
    »Den habe ich. Und da ich mir schon gedacht habe, dass man ihn braucht, habe ich ihn gleich mitgebracht. Er wartet im Vorzimmer.
     Soll ich ihn rufen?«
    »Rufe ihn.«
    »Euer Eminenz gestatten: Diakon Łukasz Bożyczko. Ein Mann, zu dem ich grenzenloses Vertrauen habe.«
     
    Die Wasser der Mulde waren braungrau und

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