Lux perpetua
und kämpfen heroisch einen blutigen Kampf. Ihr Heldentum wird belohnt. Ihre Schwäche seltsamerweise auch. Daher die Moral,
die zu verkünden sich der Autor jedoch enthält.
Gott , großer Gott
, venerunt gentes in hereditatem tuam,
wiederum sind diese Heiden in Dein Reich gekommen!
Ist das wegen unserer Sünden, wegen der
poena peccati,
dass uns der Häretiker immer noch mit Schwert und Fackel heimsucht?
Anno MCCCCXXIX, ipso die sancti Johannis Baptistae
haben diese hussitischen Räuber unser liebes Kloster heimgesucht, unser Skriptorium und unsere Bibliothek, unseren ganzen
Stolz! Sie haben sich über so bedeutende Bücher hergemacht, wie ›De fide catholica‹ von Alanus ab Insulis, ›Libre de meravelles‹
von Raimundus Lullus und die ›Clavis sanationis‹ des Simon von Genua, über so seltene Bücher wie die ›Hieroglyphica‹ des Horapollo
und das ›Bestiaire‹ von Pierre de Beauvais, über so einzigartige Traktate und Codizes wie die ›Expositio totius mundi et gentium‹ , ›Arbatel De magia veterum‹ , ›Liber de mirabilibus natura arcanis‹ , ›De amore‹ , ›Secre
ta
mulierum‹ und viele andere, vielleicht die letzten Exemplare auf dieser Welt. Nein , man kann nur die Hände ringen!
Noch kein halbes Jahr war vergangen, und schon wieder fand ein Kriegszug statt. Wieder diese Wyclifiten, diese
Taboriensis, Orphani et Pragenses,
und an ihrer Spitze
Procopius Rasus,
jener
gubernator Taboriensium communitatis in campis bellancium,
wie er sich nennen lässt, der Schlimmste und Grausamste aller Apostaten und Häretiker, wohl kein Mensch
ex muliere natus,
sondern ein
monstrum detestabile, crudele, horrendum et importunum. Eodem anno circa festum sanctae Luciae
ist jener Prokop mit seiner ganzen bisher unbesiegten Armee,
cum curribus, cum pixidibus, cum peditibus et equitibus ad marchionatum Misniae
eingezogen und hat Mord und Brand gesät. Bis zum Fluss Mulde ist er vorgedrungen. Und der Winter war mild in jenem Jahr .
. .
Die Feder war ausgetrocknet und kratzte unangenehm über das abgeschabte Pergament. Der alte Mönch und Chronist tauchte sie
wieder ins Tintenfass.
Die Diener trugen Lichter in das Zimmer und zündeten alle Kerzen auf den Leuchtern an. Der Bischof Konrad von Breslau keuchte
vor Genugtuung, als er sah, wie in Gregor Hejnczes Gesicht Bewunderung aufschien. Er wusste, dass es gar nicht leicht war,
den Inquisitor in Erstaunen zu versetzen, ganz zu schweigen davon, ihm so etwas wie Bewunderung abzuringen.
»Na?«, fragte er stolz, erfreut über die erzielte Wirkung. »Hübsches Ding, was?«
Gregor Hejncze räusperte sich. Und beantwortete die Frage mit einem zustimmenden Nicken. Das musste er. Denn das Ding war
schön. So schön, dass man kein Wort darüber zu verlieren brauchte.
Das einzige Möbelstück im Raum war ein großer Tisch, den eine riesige Landkarte Schlesiens und seiner Nachbarn bedeckte, aus
Webstücken gefertigt und mit Seidenstickereien verziert. Obwohl der Inquisitor diese Landkarte noch nie zuvor gesehen hatte,
wusste er, dass es sie gab. Er wusste, dass die Dominikanerinnen des Klosters St. Katharina sie genäht und bestickt hatten,
nach Vorlagen und Zeichnungen der Zisterzienser von Leubus. Und dass die Nonnen über ein Jahr daran gearbeitet hatten.
Da die Landkarte hauptsächlich der Beobachtung und Analyse des Kriegsverlaufes diente, waren kunstvoll geschnitzte Figuren
darauf aufgestellt. Ambrosius Erler, der beste Breslauer Holzschnitzer, hatte sie nach den Angaben des Bischofs angefertigt.
Die Abteilungen der katholischen Armee verkörperten weiß-goldene Engel, die der Hussiten waren dargestellt als Teufel, die
dahockten und den Hintern herausreckten.
Jeden Morgen brachten Geistliche für den Bischof die Landkarte auf den neuesten Stand, indem sie die Figürchen den Bewegungen
der Armeen anpassten und auf diesem Militärtheater der Kriegslage entsprechend aufstellten. Seit dem dreizehnten Dezember,
dem Tag der heiligen Lucia, also seit dem Beginn des großen hussitischen Kriegszuges nach Meißen und Sachsen, umfasste die
Militärbühne die Fläche zwischen den mit blauen Fäden markierten
VIADRUS FLU
und
ALBIS FLU
, und die Geistlichen hatten die Figürchen darinnen in Gebieten aufgestellt, die mit den Bezeichnungen
SAXONIA, MISNIA , THURINGIA
und
LUSATIA INFERIOR
versehen waren, von Norden her begrenzt durch
MARCHIA ANTIQUA
, von Süden dagegen durch
BOHEMICA SILVA
.
»Bitte, Gregor«, drängte
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