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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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auf die Schultern herabfallenden Haare. An die Vogelnase. Und den dämonischen
     Blick.
    Birkhart von Grellenort.
    »Weg hier
. . .
«, presste sie zwischen den Zähnen hervor. »Schnell weg hier.«
    Veronika widersetzte sich nicht.
    Die Opfer schrien.
     
    »Vor uns liegt eine Stadt.« Veronika deutete in die Richtung. »Die Flüchtlinge sagen, das ist Plauen. Die meisten fliehen
     gerade dorthin. Sicher, so sagen sie, sei es jetzt nur hinter Mauern. Was meinst du dazu, Jutta? Nach Norden, zu den Hussiten,willst du ja schon nicht mehr. Wir versuchen nicht mehr, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Vielleicht ist das auch gut so. Ich
     habe ja mit eigenen Augen gesehen, wie ein solcher Kontakt enden kann
. . .
«
    »Ich reite nicht nach Norden.« Allein bei dem Gedanken daran begann Jutta zu zittern. »Um nichts, um gar nichts in der Welt.
     Dort ist Grellenort. Alles, aber nicht ihn. Ich will so weit wie möglich von ihm fort. So weit wie möglich
. . .
«
    »Ist dir Plauen nicht weit genug? Bleiben wir nicht hier?«
    »Nein.« Jutta erschauderte plötzlich, eine dunkle Ahnung hatte sie erfasst. »Lass uns nicht hierbleiben, Veronika. Bitte.«
     »Es ist dein Wille und dein Entschluss. Es wird sich weisen, ob es richtig ist.«
     
    Auf dem verschneiten Feld hatte sich einst ein Dorf befunden. Die aufragenden Reste der Kamine aus Lehm und die schwarzen
     Quadrate auf der verbrannten Erde zeigten, wo die Hütten und Schuppen einst gestanden hatten. Am Rande der Brandstätte saßen
     ein paar zerlumpte Bauersleute unterschiedlichen Alters und Geschlechts. Sie saßen reglos da, wie Puppen, wie Heiligenfiguren
     am Wege. Sie hatten blinde, leere Augen.
    »Schrecklich!«, ließ sich Rixa in das Schweigen hinein vernehmen. »Widerlich, so ein Krieg im Winter. ›Der böse Krieg‹, wie
     sie ihn nennen. Im Sommer bleibt ihnen, wenn die Hütte niedergebrannt wird, wenigstens noch der Wald, der sie ernährt, und
     das Laub, das sie vor Kälte schützt, auch von den Feldern lässt sich etwas nehmen
. . .
Aber der Winter ist das Todesurteil. Im Winter Krieg zu führen, sollte verboten werden.« »Ich bin auch dafür.« Scharley nickte.
     »Ich hasse es, bei Frost zu scheißen.«
     
    »Sieh mal!«, rief Veronika. »Was ist denn das?«
    »Wo?«
    Veronika ritt an die kleine Kapelle heran und riss das Blatt Papier ab, das dort hing.
    »Wirf mal einen Blick drauf.«
    » Fratres et sorores in fide, bla bla bla«
, las Jutta laut vor. »Glaubt weder den Geistlichen noch den Herren
. . .
Sagt eurem König Sigismund den Gehorsam auf, denn er ist kein König , sondern ein Schuft und der
desolator Christi fidelium, non exstirpator heresum, sed spoliator ecclesiarum omnium, non consolator, sed depredator monarchorum
     et virginum, non protector, sed oppressor viduarum et orphanorum omnium . . .
Dies ist ein Flugblatt der Hussiten, solche habe ich schon öfter gesehen . Die sind an die gerichtet, die lesen können, deshalb auch in lateinischer Sprache.«
    »Also treiben sich hussitische Emissäre in der Gegend herum«, sagte Veronika entschieden. »Wenn wir auf so einen stoßen
. . .
«
    »Klar«, erriet Jutta. »Ein Emissär müsste Reynevan kennen, er müsste zumindest von ihm gehört haben. Wenn wir ihn bitten,
     bringt er uns zu den hussitischen Anführern und schützt uns vor den Wegelagerern
. . .
Nur, wo sollen wir so einen finden?«
    »Dort, wo Leute sind. In der Stadt.«
     
    In einem malerischen Talkessel inmitten malerischer Hügel verborgen liegend, wirkte die Stadt Bayreuth von weitem wie eine
     malerische Oase der Ruhe. Und tatsächlich war sie es auch. Die Tore waren bewacht, aber geöffnet. Niemand hielt die Schar
     der Flüchtlinge auf, sie wurden auch nicht gründlich durchsucht. Die Mädchen gelangten ohne größere Zwischenfälle zuerst zum
     Rathaus und dann zur Kirche St. Maria Magdalena.
    »Selbst wenn wir in Bayreuth keinen hussitischen Emissär finden«, seufzte Veronika, die sich und Jutta einen Weg durchs Gedränge
     bahnte, »bleiben wir hier. Schau mal, wie viele hier Unterschlupf suchen. Mir hat das Umherirren auf den Straßen arg zugesetzt,
     ich habe genug davon. Ich bin hungrig, durchgefroren, verdreckt und übermüdet. Und überhaupt will ich nach Hause.«
    »Ich auch. Quengele nicht.«
    »Ich sage dir, lass uns in der Stadt bleiben. Selbst wenn wir keinen finden
. . .
«
    »Wir haben gerade einen gefunden. Dich hat wahrscheinlich deine Namenspatronin inspiriert. Schau mal.«
    Auf einem der Wagen, die den

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