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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kleinen Platz füllten, stand ein Mann, der ein Wams mit gezacktem Saum trug und eine Goliardenkapuze,
     unter der Strähnen graumelierten Haares hervorlugten. Den Wagen umringte eine Menschenmenge, die meisten von ihnen waren Arme:
servi
, Bettler, Krüppel, Huren, Lumpen und andere
pauperes
der Stadt, dazu Landstreicher, Pilger und Vagabunden, kurz gesagt, eine laute, dreiste und widerwärtige Meute.
    Der Goliarde mit der Kapuze hielt eine Rede, er zog die Aufmerksamkeit der Menge durch seine laute Stimme und ausladende Bewegungen
     seiner beiden Hände auf sich.
    »Viele dicke, monströse Lügen über die rechtgläubigen Böhmen gehen herum«, rief er. »Angeblich morden und rauben sie. Das
     ist eine Lüge! Sie kämpfen nur zur eigenen Verteidigung und töten im Kampfe nur die, die über sie mit der Absicht, sie zu
     vernichten, herfallen. Damit verteidigen sie sich, verteidigen ihren Glauben, ihren Besitz, ihre Frauen und Kinder. Wer immer
     sich gegen sie erhebt, trägt Schaden davon. Aber sie wünschen sich innig, dass jene Kämpfe und das Blutvergießen zwischen
     euch und ihnen aufhören mögen, damit göttlicher, heiliger Frieden entsteht.«
    »Wisst ihr, dass die Böhmen die Herzöge, hohen Herren und alle kaiserlichen Städte dazu aufrufen, mit ihnen zu Friedensverhandlungen
     zusammenzukommen, um diesem unwürdigen Blutvergießen ein Ende zu bereiten? Aber eure Herzöge, hohen Herren und Geistlichen
     wollen ihren Stolz und Hochmut nicht ablegen! Denn nicht ihr Blut wird vergossen, sondern das eure fließt!«
    »Gut gesprochen!«, rief einer aus der Menge. »Der sagt die Wahrheit! Fort mit den Herren! Fort mit den Klerikern!«
    »Wo ist denn euer König? Wo sind eure Herzöge? Davongelaufen sind sie und haben euch eurem Schicksal überlassen! Wollt ihr
     für die kämpfen? Euch töten lassen, damit sie ihre Reichtümer und Privilegien behalten? Gute Leute, Einwohner von Bayreuth!
     Übergebt die Stadt! Die Böhmen sind nicht eure Feinde
. . .
«
    »Du lügst, du gottloser Häretiker!«, rief aus der Menge ein Mönch im Habit der Augustiner. »Du lügst wie der Teufel!« »Leute«,
     pflichtete ihm ein Spießbürger von den
mediocres
, den Leuten aus der städtischen Unterschicht, bei, »hört nicht auf diesen Seelenfänger! Fasst ihn
. . .

    Die Menge wogte. Es gab auch noch andere, die die Aufrufe des Mönches und des Spießbürgers kommentierten, aber die Armen schrien
     diese nieder und stießen sie weg, ohne dabei mit Stockschlägen, Knüffen, Püffen und Stößen mit dem Ellenbogen zu sparen. Der
     Platz kam sofort wieder unter die Herrschaft des Proletariats.
    »Habt ihr gesehen, wie man euch das Maul stopfen wollte?« Der Emissär fuhr mit seiner Rede fort. »Wie sehr den Klerikern die
     Wahrheit ein Dorn im Auge ist? Sie predigen euch den Gehorsam gegenüber der Kirche und der Obrigkeit! Sie nennen die Böhmen
     Ketzer! Gibt es denn ein größeres Ketzertum, als das Wort Gottes nach eigenem Gutdünken zu verdrehen? Das aber tun die Prälaten,
     wenn sie Christi Wort verschandeln. Ist es nicht so? Wollt ihr das vielleicht leugnen, ihr Mönche?«
    »Das werden sie nicht tun! Das ist die Wahrheit! Die Wahrheit!«
    Unter Getöse und Gestampfe liefen Hellebardenträger auf den kleinen Platz, Hufgetrappel Berittener erklang auf dem Pflaster.
     Der Pöbel wogte hin und her und erhob ein Geschrei. Der Goliarde war vom Wagen verschwunden, als hätte ihn der Wind weggeblasen.
    »Da, da ist er.« Veronika hatte ihn entdeckt. »Hinter ihm her, schnell
. . .
«
    Der Emissär huschte zwischen den Wagen hindurch undversteckte sich in einem kleinen Gässchen. Sie liefen ihm nach.
    Er hatte auf sie gewartet, hinter einem Eckstein verborgen. Er packte Jutta an der Schulter und drückte sie gegen die Mauer,
     während er ihr das Messer an die Kehle presste. Veronika schrie dumpf auf, von einem Mann in einem grauen Mantel von hinten
     gewürgt, der wie aus dem Boden geschossen plötzlich hinter ihr aufgetaucht war.
    »Ein Mädchen?« Der Emissär, der ihr die Kapuze heruntergezogen hatte, lockerte seinen Griff etwas. »Zum Teufel! Ihr seid Mädchen!«
    Er bedeutete dem im Mantel, den Riemen, mit dem er Veronika würgte, ein wenig zu lockern. Das war ein ganz junger Mann, höchstens
     sechzehn Jahre alt.
    »Was habt ihr euch denn dabei gedacht, als ihr mich verfolgt habt? Rede, aber schnell!«
    »Wir suchen
. . .
«, stieß Jutta keuchend hervor, »Kontakt zu den Hussiten
. . .
«
    »Was?« Er biss die Zähne

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