Lux perpetua
zusammen und sein Messer lag schon wieder an ihrem Hals. »Was wollt ihr?«
»Wir sind aus dem Kloster ausgerissen«, wiederholte Jutta mit leiser Stimme, sich dessen bewusst, dass diese Erklärung einigermaßen
unglaubwürdig klang. »Wir wollen zu den Hussiten. Mein
. . .
Mein Verlobter
. . .
Bei den Hussiten ist mein Verlobter
. . .
«
Der Goliarde ließ sie los. Er trat einen Schritt zurück.
»Wie heißt er?«
»Reynev
. . .
Reinmar von Bielau.«
»Sancta Clara, Patronin der Agitatoren
. . .
«, seufzte der Emissär leise. Und fasste sich an den Kopf.
»Du bist Jutta de Apolda«, sagte er dann laut. »Ich habe dich gefunden. Heiliger Johannes, Täufer unseres Herrn Jesus Christus
in den Wassern des Jordan! Heilige Cäcilia, Patronin der Musiker! Ich habe dich gefunden! Ich, Tybald Raabe, habe dich endlich
gefunden!«
Achtzehntes Kapitel
in dem kein Pardon gegeben, keine Gnade erwiesen und kein Erbarmen geübt wird. Und Arzneien und Amulette sich als machtlos
erweisen.
Die Stadt Kulmbach brannte. Die sie überragende Plassenburg, die die Waisen nicht hatten einnehmen können, war jetzt wie ein
Schiff, das in einem Meer von Flammen segelte, getragen von den aufgepeitschten Wogen des Feuers.
Anfangs, als sie in ihre Nähe gekommen waren, hatte sich Reynevan nicht mit der Absicht getragen, mit den Waisen Verbindung
aufzunehmen. Er befürchtete, das Andenken an Smil Půlpán und der Konflikt mit den Abteilungen von Nachod könnte bei den Waisen
noch immer in lebhafter Erinnerung sein und sie würden ihn womöglich trotz seines herzlichen Verhältnisses zu Prokop und den
Hauptleuten von Tábor immer noch mit einer gewissen Verachtung behandeln. Die Prediger der Waisen, Prokupek allen voran, hatten
ihn immer wieder der Zauberei bezichtigt und das Gerücht verbreitet, er könnte möglicherweise ein Verräter sein. Daher hatte
Reynevan beschlossen, um Kulmbach einen weiten Bogen zu schlagen und direkt nach Bayreuth zu reiten.
Das Schicksal machte diese Pläne zunichte. Als sie um die eroberte Stadt herumreiten wollten, trafen sie auf einen starken
Trupp Berittener, denen sie verdächtig vorkamen. Erklärungen halfen nicht. Sie wurden festgenommen und von einer bewaffneten
Eskorte zum Stab der Waisen gebracht. Zur außerordentlich großen Erleichterung aller trafen sie auf bekannte und mit ihnen
befreundete Hauptleute. Freundlich wie immer begrüßtensie Jan Kolda von Žampach und ihr alter Freund Brázda von Klinštejn von Ronovic.
Inzwischen hatte sich der Sturm gelegt, Kulmbach war eingenommen und geplündert worden. Jetzt ging es ans Niederbrennen, auf
den Dächern wütete schon der rote Hahn, dicker Qualm kroch über sie hinweg und stieg in den Himmel auf.
»Nein«, antwortete der danach gefragte Kolda. »Nein, Reynevan, ich habe keine Informationen über irgendwelche Fräulein. Woher
denn auch? Es ist Krieg. Das heißt, wir leben in einem einzigen Bordell, über das man in keinster Weise herrschen kann. Östlich
von uns zieht Tábor, das heißt Prokop und Kroměšín, westlich von uns die Armee von Královec und die Prager Armee von Zikmund
Manda. Und dazwischen operieren selbstständige Abteilungen und Unterabteilungen, streifen Banden, zusammengewürfelte Haufen,
Deserteure umher
. . .
Rette deine Mädchen, so schnell es geht, das rate ich dir. Wenn sie sich allein zwischen den Heeren bewegen, sehe ich schwarz
. . .
«
Scharley knirschte mit den Zähnen. Reynevans Gesicht überzog sich mit Blässe. Brázda sah es.
»Da schon von herumziehenden Banden die Rede war«, warf er schnell ein, »vielleicht wäre es da nicht schlecht, ihnen zu zeigen
. . .
Was meinst du dazu, Jan?«
»Möglich.«
Am Rande des Lagers, mitten unter den über und über mit Beutestücken beladenen Wagen, hatte man auf einer geteerten Plane
sechs Körper nebeneinandergelegt. Sechs Leichen, ziemlich schlimm zugerichtet. Fünf von ihnen, Reynevan blieb fast das Herz
stehen, hatten nur noch Überreste von schwarzen Rüstungen und Mänteln am Körper.
»Die
černí Jezdci.
« Kolda zeigte auf sie. »Die
černá Rota.
Das sagt uns doch irgendetwas, nicht wahr? Auch uns sind Gerüchte über sie zu Ohren gekommen. Aber dass sie uns bis hierher
nach Deutschland gefolgt sind?«
Scharley blickte erstaunt auf den sechsten Leichnam. Dieserwar mit gewöhnlicher Kleidung versehen. Aber sein Kopf war fast zur Gänze verbrannt. Als hätte man ihn in einen glühenden
Ofen gesteckt und lange
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