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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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die Leisten. Im schwachen Lichtschein bemerkte er Spuren von Blut und Eiter und einen Ausschlag.
     Der Kranke ließ alles mit sich geschehen, er lag reglos da und stöhnte von Zeit zu Zeit.
    »Du hast Glück, und ich habe Glück«, brummte er schließlich und setzte sich wieder auf. »Es ist nicht die Pest. Auch nicht
     die Pocken. Denke ich.«
    »Adsumus . . .«
    »Was?« Reynevan fuhr auf. »Was hast du gesagt?«
    »Adsumus . . .«,
lallte der Kranke.
»Adsumus peccati quidem immanitate detenti . . . Sed in nomine tuo specialiter congregati . . .«
    Dies ist nur ein Gebet, beschwor Reynevan sich selbst. Purer Zufall.
    Er beugte sich vor. Von dem Kranken gingen eine fiebrige Hitze und der scharfe Geruch nach Schweiß aus. Reynevan legte ihm
     die Hände an die Schläfen und begann, langsam Heilsprüche und Beschwörungen zu murmeln.
    »Veni ad nos . . .«,
stöhnte der Patient.
»Et esto nobiscum et dignare illabi cordibus nostris . . . Adsumus . . . Adsumus . . .«
    Reynevan murmelte seine Beschwörungen. Der Kranke atmete pfeifend.
    »Et lux perpetua« ,
sagte er laut und deutlich,
»luceat eis.«
     
    Der Packwagen schwankte und ächzte. Der Kranke fieberte heftig und stammelte wirres Zeug.
     
    Das Knirschen des Riegels und das Quietschen der sich öffnenden Tür rissen ihn aus dem Schlaf, die kalte Luft, die zusammen
     mit dem Licht ins Innere des Wagens drang, weckte ihn ganz. Er blinzelte.
    Weitere Passagiere wurden in den Packwagen geladen. Drei an der Zahl. Der erste, ein breitschultriger Schnurrbärtiger in einem
     Ritterwams, machte beim Anblick des daniederliegenden Kranken unwillkürlich eine Bewegung nach hinten.
    »Keine Angst«, beruhigte Reynevan ihn. »Es ist nichts Ansteckendes. Ein Fieber, nichts weiter.«
    »Los, rein da!«, schrie einer der Söldner, ihn antreibend. »Schneller, schneller! Oder soll ich nachhelfen?«
    Das Türchen des Packwagens wurde wieder zugeschlagen, und das Innere versank im Dunkel. Das Licht reichte jedoch so weit aus,
     dass Reynevan feststellen konnte, wenigstens zwei von den drei neuen Gefangenen zu kennen, die ihm Schulter anSchulter gegenübersaßen. Er wusste, dass er ihre Gesichter schon einmal gesehen hatte.
    »Wenn uns schon unser trauriges Los vereint«, kam ihm jedoch der Schnurrbärtige vorsichtig und mit zögernder Stimme zuvor,
     »so wollen wir uns miteinander bekannt machen. Ich bin Jan Kuropatwa von Łańcuchowo,
miles polonus . . .«
    »Vom Wappen Śreniawa«, Reynevan entschloss sich, auf Polnisch zu antworten, »wenn ich nicht irre. Wir sind uns in Prag begegnet
. . .
«
    »Na, da soll mich doch!« Das finstere und verschlossene Gesicht des Polen erhellte sich. »Reynevan, der Prager Äskulap! Natürlich
     erinnere ich mich! Du kamst mir gleich so bekannt vor
. . .
Na, da sind wir ja alle schön reingefallen, da soll doch gleich die Pest
. . .
«
    »Adsumus . . .«,
jammerte der Kranke laut und bewegte den Kopf hin und her.
»Adsumus . . .«
    »Wenn schon von der Pest die Rede ist«, ließ sich mit besorgter Stimme der zweite Pole vernehmen und wies auf den Kranken,
     »hat der hier etwa die
. . .
«
    »Herr Reynevan ist Arzt, Jakub«, belehrte ihn Kuropatwa. »Der kennt sich mit Krankheiten aus. Wenn er sagt, das ist nicht
     ansteckend, kann man ihm glauben. Gestattet, Herr Reynevan: Dieser gute Edelmann hier ist Herr Jakub Nadobny von Rogowo, vom
     Wappen Działosz. Und dieser dort
. . .
«
    »Wir kennen uns«, unterbrach ihn der dritte Mann, der ein stark ausgeprägtes, aber etwas schiefes Kinn hatte. »Klemens Kochłowski
     aus Wieluń, erinnert Ihr Euch? Wir hatten schon das Vergnügen. In Tost war das, im Herbst letzten Jahres. Da haben wir geschäftliche
     Verhandlungen geführt.«
    Reynevan bestätigte dies, aber nur indem er nickte. Er war sich nicht sicher, ob und wie weit er etwas davon erzählen konnte.
     Die neuen Passagiere des Packwagens waren zwar Augenblicksgefährten im Unglück, aber dies bedeutete noch nicht, dass sie etwas
     von der Art und den Umständen der mitKochłowski getätigten Geschäfte wissen mussten. Die so ausgesehen hatten, dass dieser den Hussiten Pferde, Waffen, Pulver
     und Kugeln verkauft hatte.
    »Uns haben sie alle drei am selben Tag aufgegriffen.« Jan Kuropatwa zerstreute Reynevans Bedenken. »Auf der Straße nach Krakau,
     zwischen Bielitz und Skotschau. Wir waren im Tross unterwegs und hatten
. . .
Ihr könnt euch wohl denken, was wir geladen hatten. Ihr wisst ja selbst, was auf dieser Straße so

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