Lux perpetua
transportiert wird.«
Reynevan wusste es. Alle wussten es. Die über Teschen und die Mährische Pforte führende Krakauer Straße, die das Königreich
Polen mit Böhmen verband, war einer der wenigen Handelswege, der nicht der Wirtschaftsblockade gegen das hussitische Böhmen
unterworfen war. Auf ihr gelangten Waren aus Polen fortwährend und störungsfrei nach Böhmen, dank eines Abkommens zwischen
dem mährischen calixtinischen Adel und den begüterten Katholiken. Die mährischen Hussiten führten keine Raubzüge in Gebiete
der Katholiken durch, diese machten dafür bei Handelstransporten und Kolonnen durch Teschen die Augen zu. Die Übereinkunft
war eine formlose, das Gleichgewicht schwankte, wurde von Zeit zu Zeit durch den einen oder anderen Zwischenfall gestört.
Wie man hier sehen konnte.
»Die Ratiborer von Pleß haben uns eingekreist«, fuhr der
miles polonus
fort, »das Söldnerheer dieser Wölfin Helena, der Witwe von Herzog Johann. Pleß gehört ihr, der Helena, als Witwenteil, diese
verdammte Hexe sitzt in Pleß wie eine regierende Fürstin und erlaubt sich immer tollere Streiche.«
»Und das, ohne eine Berechtigung dafür zu haben, diese Dirne«, knurrte Kochłowski böse. »Denn sie tut es nicht auf ihrem Grund
und Boden, sondern auf Teschener Gebiet! Dazu hat sie kein Recht!«
Reynevan wusste, worum es ging. Das Schlupfloch der Wirtschaftsblockade, das die Kaufleute nutzten, gab es auch dank der geschickten
Politik des Teschener Herzogs Bolko,der sein Herzogtum dadurch schützte, dass er die Hussiten nicht reizte und ihre Transporte unbehelligt passieren ließ. Eine
ganz andere Politik hingegen trieben die in Pleß residierende Herzoginwitwe Helena und ihr Sohn Nikolaus, der Herzog von Ratibor.
Sie ließen keine Gelegenheit aus, um denen, die mit den Hussiten Handel trieben, zu Leibe zu rücken und sich an fremdem Eigentum
zu vergreifen.
»Etliche von uns sind bereits in den Kerkern von Pleß verfault oder haben den Kopf unters Beil legen müssen. Ich dachte, als
sie uns gefangen nahmen, dass auch uns ein Ende auf der Richtstätte beschieden ist. Herr Jakub, Herr Jan und ich hatten schon
unsere Seelen Gott befohlen
. . .
Aber wir sind nicht mal eine Woche im Loch gesessen. Sie haben uns nach Ratibor gebracht und uns dann diesen anderen übergeben,
weiß der Teufel, was das für welche sind
. . .
Und die haben uns in diesen Karren gesperrt und bringen uns weg. Wohin, warum, wer, in wessen Auftrag, weiß der Teufel.«
»Warum, ist klar«, meinte Jakub Nadobny von Rogowo düster. »Zur Hinrichtung, was sonst.«
»Sagt euch der Name Ungerath was?«, fragte Reynevan.
»Nein. Sollte er?«
Reynevan erzählte, was er vermutete, welchen Weg er in den letzten drei Tagen zurückgelegt hatte. Dass die Eskorte vermutlich
in den Diensten Ungeraths stand, eines reichen Breslauer Patriziers. Kuropatwa, Nadobny und Kochłowski begannen zu überlegen.
Ohne zu so etwas wie einem Ergebnis zu gelangen. Sie wären weiterhin in Unkenntnis und Ungewissheit über ihr Schicksal geblieben,
hätte man nicht einen weiteren Mitreisenden in den Packwagen gesteckt, und zwar noch am selben Tage.
Der neue Reisegefährte war jung, blond und zerzaust wie eine Vogelscheuche. Aber auch fröhlich und lustig, was verwunderte,
wenn man die Umstände bedachte.
»Die Herren gestatten!« Er lachte und setzte sich hin. »Ichbin Hlas z Libočany, ein guter Böhme, Hundertschaftsführer Tábors. Gefangener. Zurzeit, ha, ha! Soldatenlos, he, he!«
Vor einigen Tagen, berichtete Hlas z Libočany, der immer wieder eine Pause machte, um in lärmende, sinnlose Fröhlichkeit auszubrechen,
sei Herr Hynek Krušina z Lichtemburk in das Gebiet von Hradec Králové eingefallen. Herr Hynek sei einst ein getreuer Verteidiger
des Kelches gewesen, habe dann jedoch Verrat geübt, sei zur katholischen Seite übergelaufen und suche jetzt die guten Böhmen
mit seinen Überfällen heim. Die Fahrt ins Hradecer Land habe für ihn aber nicht gut geendet, seine Mannen seien besiegt, zerstreut
und zur Flucht genötigt worden. Aber Herrn Krušina sei es dennoch gelungen, Hlas z Libočany gefangen zu nehmen.
»Das ist eben das Los eines Soldaten, ha, ha!«, lachte der gute Böhme. »Aber meine Strohschütte im Loch von Herrn Krušina
habe ich nicht lange gewärmt! Sie haben mich freigekauft und hierhergebracht. Und wie ich hören konnte, bringen sie mich nach
Freistadt.«
»Warum nach Freistadt? Wer hat Euch
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