Lux perpetua
sich auf, seine Stimme wurde abweisend. »Also frag nicht.
Es ist, wie es ist.«
»Ich sehe, wie es ist.« Reynevan biss ein Stück Brot ab. »Früher warst du ein Ritter, jetzt bist du, scheint mir, ein Knecht.
Dem sie befehlen und untersagen können. Und ich weiß auch, woher diese Veränderung rührt. Es ist ohnehin verwunderlich, dass
du in Schlesien geblieben bist. Es hieß, ihr wäret alle geflohen, Weyrach, Wittram, Tresckow, deine ganze frühere
comitiva
. Ihr hättet euch über alle Berge gemacht. Weil euch der Boden in Schlesien zu heiß war.«
»Na ja.« Paszko kratzte sich am Kopf und warf einen unruhigen Blick hin zum Feuer, an dem die anderen Söldner jedoch ihre
ganze Aufmerksamkeit der Flasche widmeten. »Na ja, irgendwie ist er uns schon zu heiß gewesen
. . .
Ich hatte mich ja auch schon darauf vorbereitet, weit weg zu gehen
. . .
Aber siehst du, dann bot sich die Gelegenheit, bei Herrn Ungerath in Dienst zu treten. Herr Ungerath ist ein reicher Mann,
der lässt nicht zu, dass seinen Leuten etwas zustößt, da muss man keine Angst haben. Na, da bin ich geblieben. Geht’s mir
in Schlesien etwa schlecht, oder wie?«
»Was will denn dieser reiche Mann von mir? Womit habe ich seinen Unwillen erregt?«
»Sie haben verboten, darüber zu reden.«
»Nur eins«, Reynevan senkte die Stimme, »nur ein Wort. Einen Namen. Ich muss wissen, wer mich in Breslau verraten hat. Es
geht dabei gar nicht um mich. Erinnerst du dich noch an das Fräulein, Paszko? Das als Bibersteins Tochter nach Bodak entführt
worden ist? Das, mit dem ich geflohen bin? Ich liebe sie, ich liebe sie von ganzem Herzen. Und von der Nachricht, um die ich
dich bitte, hängt ihr Schicksal ab. Ihr Leben. Wer hat mich verraten, Paszko?«
»Sie haben verboten, darüber zu reden. Und selbst wenn, ich weiß das ohnehin nicht.«
»Aber der, der euch anführt, weiß es. Habe ich recht?«
»Jawohl«, brüstete sich Rymbaba. »Herr Eberwin von Kranz hat seinen Kopf nicht nur zum Hütetragen. Selbstverständlich weiß
er es.«
»Frag ihn, Paszko. Erkundige dich.«
»Nein. Sie haben es verboten.«
»Paszko. Bin ich dir nicht zu Hilfe geeilt, damals bei Leutmannsdorf? Da war das Bauernpack kurz davor, dich zu erstechen,
weißt du noch? Wie ein Tier hätten sie dich abgestochen, wären Samson und ich nicht gewesen. Du hast eine Schuld abzutragen.
Bist du nun ein Ritter oder nicht? Es ziemt sich nicht für einen Ritter, eine solche Schuld zu vergessen.«
Paszko Rymbaba dachte lange nach. Und so intensiv, dass er zu schwitzen begann. Endlich erhellte sich sein Gesicht, und er
wischte sich über die Stirn.
»Damals hast du mich gerettet«, bekannte er dann und reckte sich. »Aber dann auf Bodak bist du mir übel in den Rücken gefallen.
Und das Mädchen, das du so liebst, hat mir einen Tritt in die Eier versetzt und mich die Treppe hinuntergestoßen. Mir hat
nach diesem Sturz noch lange der Kopf wehgetan. Also sind wir quitt. Ich bin dir nichts schuldig.«
»Paszko
. . .
«
»Hast du aufgegessen? Dann gib deine Hände her. Ich muss dich wieder binden.«
»Vielleicht ein bisschen lockerer?«
»Nein. Sie haben es verboten.«
Am Rande eines kahlen Birkenwäldchens warteten drei Reiter auf sie. Und ein solider Packwagen mit vier Zugpferden. Was der
Packwagen sollte, war mehr als klar, und so wunderte sich Reynevan auch nicht, als man ihn hineinstieß und das Türchen verriegelte,
ja, er begrüßte diese Änderung sogar mit einer gewissen Zufriedenheit. Er war zwar immer noch ein Gefangener, aber man hatte
ihm die Hände nicht mehr zusammengebunden. Hufe klapperten, der Packwagen setzte sich in Bewegung und rollte mit Gepolter
und quietschenden Achsen los. Im Innern war gerade so viel Licht, wie es das kleine vergitterte Fensterchen zuließ, also recht
wenig. Aber genug, dass er einen Menschen erkennen konnte, der ausgestreckt auf den Brettern des Wagenbodens lag und mit einer
Pferdedecke oder Plane zugedeckt war.
»Der Name des Herrn sei gelobt, Bruder«, begann er. »Wer bist du?«
Der Liegende antwortete nicht. Das halb ohnmächtige Stöhnen, das er hervorbrachte, konnte man nicht als Antwort gelten lassen.
Reynevan rümpfte die Nase und schnüffelte. Er näherte sich ihm und betastete seine Stirn. Glühend heiß. Während er spürte,
wie er selbst vor lauter Schreck fröstelte, zog er die Decke herunter, langte unter die schweißnasse Kleidung, betastete den
Bauch, den Hals, die Achseln und
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