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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Wagen. Dann wurde er mit etwas Weichem, aber Schwerem
     zugedeckt, gewiss waren es Lumpen.
    Eine Peitsche knallte, Achsen ächzten, der Wagen machte einen Satz und rollte über das Straßenpflaster aus hölzernen Rundköpfen.
     Von einem Haufen Lumpen niedergedrückt spuckte und fluchte Reynevan vor sich hin.
    Eine Reise ins Unbekannte hatte begonnen.

Drittes Kapitel
    in dem sich das Sprichwort bewahrheitet, dass die Welt klein ist, begegnet Reynevan doch immerzu alten Bekannten.
    Der Wagen, in dem man ihn davonfuhr, hüpfte und wiegte sich in den Schlaglöchern und ächzte dabei so sehr, als wollte er jeden
     Moment auseinanderfallen. Reynevan, der anfangs den Berg von Lappen, der ihn niederdrückte und ihm kaum Luft zum Atmen ließ,
     und die Binsenmatten, die ihn stachen, als Qual empfand, änderte alsbald seine Meinung. Unbeweglich unter dem Lappenberg liegend,
     schlug er jetzt nicht mehr gegen die Seiten des wie wild dahineilenden Gefährts, spürte und hörte aber das Klappern anderer
     Gegenstände, vermutlich Fässchen und Leitern, die im Inneren heillos durcheinanderrutschten und immer wieder über ihn hinwegrollten.
     Die Fahrt war aber so heftig, dass es ihm selbst unter seinem Lumpenberg bei Schlaglöchern die Zähne aufeinanderschlug.
    Wie lange die wilde Jagd dauerte, war schwer auszumachen. Auf jeden Fall lange.
     
    Er wurde ohne viel Federlesens unter den Lumpen hervorgezerrt und vom Wagen herunter auf den Boden geworfen. Oder besser gesagt,
     in den Schlamm, denn seine Kleidung war sogleich durchnässt. Sofort und ohne weitere Umstände wurde er wieder hochgerissen,
     und man zog ihm mit einem Ruck den Sack vom Kopf. Ein Stoß ließ ihn mit dem Rücken gegen das Wagenrad prallen.
    Sie befanden sich in einem Hohlweg, auf den Hängen lag noch Schnee. Aber die Luft roch schon nach Frühling.
    »Ist er gesund?«, fragte jemand. »Und unversehrt?«
    »Sieht man doch, dass er unversehrt ist. Steht doch auf eigenen Beinen. Gebt schon den Groschen her, wie wir’s verabredet
     haben.«
    Die Leute, die ihn umringten, unterschieden sich voneinander, ein erster Blick genügte, um sie in zwei verschiedene Gruppen,
     ja sogar in zwei Kategorien einzuordnen. Die einen waren anstandslos als städtische Bösewichte, Beutelschneider und Gauner
     zu erkennen, die in Banden vielfach die Umgebung von Breslau terrorisierten. Diese hatten ihn zweifellos im Stall gefangen
     genommen und auf dem Wagen aus der Stadt herausgebracht. Nur um ihn jetzt den anderen zu übergeben. Ebenfalls Verbrecher,
     aber gewissermaßen andere Kaliber. Söldner.
    Für weiteres Nachdenken blieb keine Zeit. Man packte ihn, setzte ihn auf ein Pferd, band seine Hände an den Sattelknopf fest
     und fesselte ihm zusätzlich die Arme mit einem doppelt unter den Achseln hindurchgezogenen Strick. Die Enden des Strickes
     ergriffen zwei Berittene, einer rechts, der andere links von ihm. Die anderen scharten sich dicht um sie herum. Die Pferde
     schnaubten und stampften. Jemand versetzte ihm mit einem harten Gegenstand einen Stoß in den Rücken.
    »Es geht los«, hörte er. »Mach bloß keinen Blödsinn. Sonst polieren wir dir die Fresse.«
    Die Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor.
     
    Sie mieden Städte und Ortschaften, allerdings in einem Bogen, der nicht weit genug war, als dass Reynevan die Orientierung
     verloren hätte. Er kannte die Gegend immerhin so gut, um den Glockenturm der Pfarrkirche St. Florian im bischöflichen Wansen
     zu erkennen. Man brachte ihn also auf der Straße nach Neisse fort, von Breslau geradewegs nach Süden. Es sah allerdings nicht
     so aus, als wäre Neisse das Ziel ihrer Reise; was die Weiterfahrt betraf, so gab es da mehrere Möglichkeiten: Von Neisse aus
     führten fünf Straßen in alle möglichen Himmelsrichtungen, die, auf der sie sich befanden, nicht eingeschlossen.
    »Wohin bringt ihr mich?«
    »Halt die Schnauze.«
    Hinter Neisse machten sie Halt, um zu nächtigen. Und Reynevan erkannte einen alten Bekannten.
     
    »Paszko? Paszko Rymbaba?«
    Der Söldner, der ihm Wasser und Brot brachte, erstarrte. Beugte sich vor. Strich sich die hellen Haare aus Augen und Stirn.
     Öffnete den Mund.
    »Bei meiner Ehre«, seufzte er dann. »Reinmar? Bist du das? Ha! Mir kam das Gesicht gleich so bekannt vor
. . .
Du hast dich aber verändert, meine Güte
. . .
Ich hätte dich fast nicht erkannt
. . .
«
    »In wessen Hand bin ich? Wohin bringt ihr mich?«
    »Sie haben verboten, darüber zu reden.« Paszko Rymbaba richtete

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