Lux perpetua
gleich wiedererkannt. Das war Smil Půlpán, derzeit, wie sich herausstellte,
der Erste Hetman der Waisen von Nachod. »Da soll mich doch gleich die Kugel
. . .
« Smil Půlpán gab ihm mit schwacher Stimme zu verstehen, dass auch er ihn erkannt hatte. »Der kleine deutsche Doktor, der
Liebling derHauptleute
. . .
Was soll’s, wenn’s keinen Fisch gibt, ist auch der Krebs ein Fisch
. . .
Komm mal her, du Quacksalber. Schau mich mal an. Und sag nicht, dass du mich nicht heilen kannst
. . .
Sag das bloß nicht, wenn dir dein Leben lieb ist.«
Der Gestank hätte Reynevan eigentlich auf das Schlimmste vorbereiten müssen, aber er tat es nicht. An der Innenseite von Smil
Půlpáns Oberschenkel, gefährlich nah an der Leiste, saß etwas. Dieses Etwas hatte die Größe eines Enteneis, eine blau-rot-schwarze
Färbung und sah mehr als schlimm aus. Reynevan hatte dergleichen schon gesehen und damit zu tun gehabt, dennoch konnte er
sich einer Gebärde des Abscheus nicht erwehren. Er schämte sich dessen, aber nur vor sich selbst. Die Gebärde war so sacht
gewesen, dass die anderen sie nicht bemerkt hatten.
»Was ist das, Herr?«, fragte ihn der kleine Apothekergehilfe und Zwangsfeldscher leise. »Doch nicht etwa die Pest? Ein schreckliches
Geschwür
. . .
Und noch dazu an einer solchen Stelle
. . .
«
»Das ist ganz gewiss nicht die Pest«, erklärte Reynevan mit fester Stimme; er war sich seiner Sache ziemlich sicher, wollte
sich aber erst noch durch Betasten davon überzeugen, nicht das für Pestbeulen charakteristische Schwabbeln zu fühlen. Er fühlte
es nicht. Půlpán schrie kurz auf und fluchte.
»Das ist ein
carbunculus
«, diagnostizierte Reynevan, »oder anders ausgedrückt, ein Mehrfachfurunkel. Zuerst waren da nur ein paar kleine Pickel, nicht
wahr? Die ziemlich schnell größer wurden und zu Geschwüren anwuchsen, ein jedes mit einer Eiterdecke, die sich dann geöffnet
hat, so dass der Eiter herausquoll? Um dann schließlich zu einem einzigen, äußerst schmerzhaften Furunkel zusammenzuwachsen?«
»Gerade so«, der kleine Apothekergehilfe musste schlucken, »gerade so, als wäret Ihr dabei gewesen
. . .
«
»Was habt Ihr bisher angewendet?«
Ȁhhh
. . .
«, stotterte der Jüngling. »Solche Umschläge
. . .
Die Weiber haben sie gebracht
. . .
«
»Habt Ihr versucht, es auszudrücken?« Reynevan biss sich auf die Lippe, er kannte bereits die Antwort.
»Er hat’s versucht, der Hurensohn, er hat’s versucht«, stöhnte Půlpán. »Ich bin dabei vor Schmerzen fast krepiert
. . .
«
»Ich wollte ja nur den Eiter herauspressen
. . .
« Der kleine Apotheker zuckte nervös mit den Schultern. »Was hätt’ ich denn tun sollen?«
»Aufschneiden.«
»Das erlaube ich nicht
. . .
«, röchelte Půlpán. »Ich lasse nicht zu, dass man mich verletzt
. . .
Ihr wollt immer nur schneiden, ihr Schlächter.«
»Ein chirurgischer Eingriff ist hier unbedingt notwendig.« Reynevan öffnete seine Tasche. »Nur auf diese Weise lässt sich
ein völliger
abscessus
des Eiters bewerkstelligen.«
»Ich lasse mich nicht aufschneiden. Da ist mir schon lieber, dass ihr es ausdrückt.«
»Ausdrücken hilft nicht.« Reynevan wollte nicht sagen, dass es eher schaden könnte, er wusste, dass Půlpán dem Chrudimer Apothekerlein
einen Kunstfehler nicht vergeben, dass er sich rächen würde. »Das Karbunkel muss aufgeschnitten werden.«
»Bielau
. . .
« Půlpán packte ihn heftig am Ärmel. »Sie reden über dich, dass du ein Magier bist. Wende Magie an, sprich einen Zauberspruch
oder gib mir einen Zaubertrank
. . .
Schneid mich nicht auf. Ich werde auch nicht an Gold sparen
. . .
«
»Mit Gold kann ich dich nicht heilen. Der Eingriff ist absolut notwendig.«
»Scheiße ist notwendig!«, brüllte Půlpán. »Willst du mich etwa dazu zwingen? Ich bin hier der Hauptmann! Ich
. . .
Ich befehle dir! Heile mich mit Magie oder mit Krätzkraut! Aber komm mir nicht mit dem Messer. Wenn du mich schneidest, du
beschissener Quacksalber, lass ich dich von den Pferden zerreißen! He, Leute! Wachen!«
»Wenn das Karbunkel noch weiterwächst, hat das schwerwiegende Folgen.« Reynevan stand auf. »Ich sage das, damitdu es weißt. Der Rest ist deine Entscheidung, dein Wille, dein Begehren.
Scienti et volenti non fit injuria.«
»Du willst dich rächen, du lateinischer Abschaum«, krächzte Půlpán. »Für das andere. Für das letzte Jahr, für Schlesien, für
Frankenstein, für die Mönche, die wir damals
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