Lux perpetua
Spur nach und findet den Giftmischer. Aber bei den Giften, von denen hier die Rede ist, spürtdas vergiftete Opfer nichts und verdächtigt niemanden. Es lebt, bis es
. . .
«
»Bis es durch ein Eisen verwundet wird«, fiel ihm der Renegat ins Wort. »Oder durch Stahl. Nichts anderes. Der Tod tritt dann
unfehlbar ein. Sie nannten dieses Gift ›Dux‹.«
» Dux omnium homicidarum«
, bestätigte Reynevan, in Gedanken versunken. »Auch
Mors per ferro
genannt. Nach der Beschwörungsformel, die bei der Herstellung verwendet wird. Guido Bonatti nennt es deshalb in seinen Schriften
›Perferro‹, und auch die ›Picatrix‹ erwähnt es
. . .
In der lateinischen Übersetzung, im Original heißt es
khadhulu ahmar a-hajja
, das bedeutet
. . .
Ich habe vergessen, was es bedeutet.«
»Das macht nichts.« Jetzt schaltete sich Horn wieder in das Gespräch ein. »Ich bin gar nicht neugierig darauf. Reynevan, du
ehrenwerter Magier, du bestätigst also, dass ein solches Gift existiert? Und dass es so wirkt, wie hier gerade gesagt wurde?«
»Ich bestätige das, was in einigen Schriften steht«, Reynevan hatte sich wieder etwas beruhigt, er sah Schilling in die Augen,
»aber ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, was in anderen zu lesen ist. Nämlich, dass zur Herstellung von Perferro die
sogenannte schwarze Tinktur unbedingt notwendig ist
. . .
«
»Jawohl, jawohl, Ihr habt vollkommen recht, Herr von Bielau«, bejahte Schilling eilig. »Ich hörte, wie Skirfir und Grellenort
davon sprachen.«
»Die legendäre schwarze Tinktur kann man nur durch Transmutation eines Metalls namens
chalybs alumen
gewinnen, das der achte Planet regiert. Das Problem besteht darin, dass, wie viele Gelehrte meinen, dieses Metall lediglich
in den Legenden existiert. Und man muss kein Gelehrter sein, um zu wissen, dass es nur sieben Planeten gibt.«
»Es gibt acht Planeten«, widersprach ihm der Renegat lebhaft. »Das habe ich beim Lauschen von denen gehört. Der achte Planet
heißt Poseidon, und dass er existiert, hat der Teufel selbst Grellenort gesagt!«
»Lassen wir den Teufel mal für einen Moment beiseite«,mischte sich Horn wieder ein, »und auch Ptolemäus. Fall nicht aus der Rolle, Schilling. Ich verhöre dich, und du wirst verhört.
Und
messer
Reynevan hat gerade vorher Autoritäten zitiert, die dem zu widersprechen scheinen, was du aussagst. Die deine Aussage ins
Reich der Legenden und der Märchen verweisen. Ich warne dich: Märchen zu erzählen, kann hier für dich unangenehme Folgen haben.«
»Herr Horn«, Bruno Schilling gab sich sofort sehr viel weniger unterwürfig, »die Autoritäten können gut und gern Autoritäten
bleiben, Ptolemäus kann von mir aus so viele Planeten zählen, wie er möchte. Ich aber sage Euch, dass ich Landstreicher, Bettler
und anderes Gesindel auf den Straßen aufgegriffen und auf den Sensenberg gebracht habe, für die Experimente, die Grellenort
und Skirfir durchgeführt haben. Ich habe gesehen, wie sie ihnen das Gift verabreicht haben. Ich habe gesehen, wie sie anschließend
mit einem Eisen verwundet worden sind, mit meinen eigenen Augen habe ich gesehen, wie durch die Verwundung durch das Eisen
das Gift zu wirken begonnen hat
. . .
«
»Und wie hat es gewirkt?«, unterbrach ihn Reynevan. »Was für Symptome gab es?«
»Ganz unterschiedliche. Das ist ja gerade der Vorzug dieses Gifts, dass man es an den Symptomen nicht leicht erkennen kann.
Die Symptome führen einen in die Irre. Einige der Vergifteten warfen sich hin und her, bevor der Tod eintrat, andere zitterten,
wieder andere schrien, dass es ihnen im Kopf und in den Eingeweiden brenne, und sie starben so verkrampft, dass es einem bei
ihrem Anblick kalt den Rücken hinunterlief. Andere wiederum schliefen ganz ruhig ein und starben im Schlaf. Lächelnd.«
Horn sah rasch zu Reynevan hinüber, sein Blick hielt diesen davon ab, darauf zu reagieren.
»Wem von uns ist dieses Gift verabreicht worden?« Er heftete seine Blicke wieder auf Schilling. »Wann? Und auf welche Weise?«
»Das weiß ich nicht. Auf dem Sensenberg wurde das Gift nur gebraut, mit dem Rest haben sich andere befasst.«
»Aber ihr, die schwarzen Reiter, habt Menschen zu Experimentierzwecken entführt. Wann hat man euch befohlen, dies zu tun?
Wie lange hat das gedauert?«
»Wir haben
. . .
«, Bruno Schilling räusperte sich und wischte sich die Stirn, »wir haben im Winter 1425 mit den Entführungen begonnen, gleich
nach Mariä Lichtmess.
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