Lux perpetua
wachsen! Dass es sich dabei um eine Salzlösung des
Gänsefußes handelt oder des noch ordinäreren Fliegenpilzes, des
muscarius
. Das sind die Grundbestandteile jenesbetäubenden Trankes, der in den Schriften von Morenius ›bhang‹ genannt wird. Könnt ihr euch das vorstellen?«
Scharley und Samson konnten es sich wohl vorstellen. Und wenn nicht, so ließen sie es sich nicht anmerken. Weder mit einem
Wort noch mit einer Geste oder an ihrer Miene.
»Und dieses berühmte, geheimnisumwitterte
hash’ish
, mit dem Hasan ben as-Sabbah-, der Alte vom Berge, in seiner Bergfestung seine Assassinen narkotisiert hat? Ist dasselbe
hash’ish
, mit dem sich, wie ich vermutet habe, auch Grellenorts schwarze Reiter betäuben. Das gewinnt man aus dem Harz des Blütenstandes
einer Pflanze, die griechisch Cannabis heißt und dem Flachs ähnlich sieht. Wie sich zeigt, gibt es zwei Arten von diesem Spezifikum.
Eine heißt Ganja und ist ein Trank; man trinkt ihn und fällt in eine euphorische Trance. Die zweite, Haschisch genannt, verbrennt
man und atmet den Rauch ein
. . .
Ich weiß, das klingt unglaubwürdig, aber Bruno Schilling hat geschworen
. . .
«
»Dieser Bruno Schilling hat deinen Bruder ermordet, du Eingeweihter«, warf Scharley scheinbar gelassen ein. »Ich kann das
nur schwer nachvollziehen, ich bin ein Einzelkind, aber ich denke mir, ich würde mich, hätte ich einen Bruder gehabt, nicht
mit seinem Mörder über Magie und Fliegenpilze unterhalten. Ich würde ihn ganz einfach erwürgen. Mit bloßen Händen.«
»Du selbst hast mich mal von der Sinnlosigkeit der Rache überzeugen wollen«, erwiderte Reynevan stocksauer. »Und mit Schilling
unterhalte ich mich nicht, sondern ich verhöre ihn. Und wenn ich irgendwann jemandem für Peterlins Tod eine Rechnung präsentieren
sollte, dann wird das der Auftraggeber dieses Verbrechens sein und nicht ein blindes Werkzeug. Dazu nützt mir das Wissen,
das ich mir während der Verhöre erwerbe.«
»Und Jutta?«, fragte Samson Honig leise. »Wie hilft dir dein Wissen über Haschisch oder
al-qili
dabei, sie zu befreien und zu retten?«
»Jutta
. . .
«, stammelte Reynevan. «Wir ziehen bald aus, um sie zu retten. In Kürze. Horn hat versprochen zu helfen. Und ohne seine Hilfe
schaffen wir es nicht. Ich helfe ihm, er hilft uns. Er wird sein Wort halten.«
»Er wird es halten«, Scharley stand auf und streckte sich, »oder auch nicht. Gottes Wege sind unergründlich.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass mich das Leben gelehrt hat, nicht allzu leicht zu vertrauen und immer einen Ersatzplan in der Tasche zu haben.«
»Ich frage dich noch einmal, was willst du damit sagen?«
»Nichts außer dem, was ich gesagt habe.«
»Herr Horn?«
»Ja?«
»Ihr habt mir die Freiheit versprochen. Wenn ich alles ehrlich und vollständig gestehe.«
»Du hast noch nicht alles gestanden. Darüber hinaus, was nützt dir die Freiheit? Grellenort macht dich ausfindig und bringt
dich auch noch am Ende der Welt um. Aber auf dem Eulenberg wird er dich nicht finden.«
»Ihr habt es mir versprochen
. . .
«
»Ich weiß, Schilling, ich weiß. Ich habe es versprochen, und ich werde es halten. Wenn du alles sagst. Also sag schon. Wie
viele Leute habt ihr getötet?«
Reynevan erwartete nicht, dass diese Frage Schilling in Verlegenheit bringen würde. Er irrte sich nicht. Sie machte ihn nicht
verlegen. Der Renegat blinzelte lediglich. Und überlegte ein wenig länger, bevor er antwortete.
»Ich schätze«, antwortete er schließlich mit gleichgültiger Miene, »etwas mehr als dreißig. Ich beziehe nur die mit ein, die
unsere hauptsächlichen Personenziele bildeten, die, deren Namen uns Grellenort gegeben hat. Wenn wir einen nicht allein erwischt
haben, im Zweikampf
. . .
dann gab es auch weitere Tote. Seine Kameraden, Trossknechte, Knechte
. . .
Manchmal Verwandte
. . .
«
»Den Kaufherrn Czajka habt ihr zusammen mit seiner Frau umgebracht.« Horn zeigte mit ruhiger Stimme, wie gut er informiert
war und dass er wusste, wovon er sprach. »Johann Cluger und seine gesamte Familie sind bei einem Brand ums Leben gekommen,
in ihrem Haus, das ihr angezündet habt, nachdem ihr zuvor Türen und Fenster verbarrikadiert hattet.«
»Das ist schon mal vorgekommen«, gab der Überläufer achselzuckend zu. »Aber selten. Meistens haben wir ihnen einzeln aufgelauert
. . .
«
»Wie meinem Bruder.« Reynevan wunderte sich selbst über seine Ruhe. »Erzähl mir von diesem Mord.
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