Lux perpetua
aufzuhalten.«
»Also ruht unsere ganze Hoffnung auf dem Fortschritt«, Horn biss sich auf die Unterlippe, »zumindest auf dem Gebiet, das uns
interessiert.«
Burg Eulenberg stand schon seit etwa hundert Jahren auf einem Felszipfel des Niederen Gesenkes, hundert Jahre ragte bereits
ihr stolzer und bedrohlich wirkender Bergfried über dem Wald empor und schreckte die Umgebung. Zwei Brüder, Ritter aus dem
alten mährischen Geschlecht der Hrutovic, hatten sie errichtet und zur Feste ausgebaut, als sie vom Bischof von Olmütz für
ihre Verdienste im Felde die Ortschaften Křižov und Huzová als Lehen erhalten hatten. Die Brüder nannten sich von da an Herren
auf Huzová und trugen seitdem einWappen, das zwei Schrägstreifen aufwies. Nachdem sie die Burg eine knappe Meile von Huzová entfernt erbaut hatten, gaben sie
ihr einen Namen, der sich auf die Eulen bezog, die in großer Anzahl in den umliegenden Wäldern nisteten. Sie nannten sich
seither Herren de Aylburk. Dieser Name wollte sich, obschon er der Mode entsprach, nicht so recht einbürgern, und so blieb
die Burg schließlich der Eulenberg.
Der jetzige Besitzer und Burgherr war Paul von Eulenberg, ein Anhänger der Lehre von Hus und Verbündeter von Tábor. Wo er
jetzt, im März des Jahres 1429, gerade weilte, war nicht bekannt. Jetzt herrschte Urban Horn auf dem Eulenberg, und die Umgebung
beherrschten einträchtig die Burgmannen.
Am Samstag vor
Laetare
veranstalteten die Frauen auf dem Eulenberg ihren Waschtag, schon vom frühen Morgen an durchzog feuchter Dampf und der durchdringende
Geruch von Lauge und Seife die ganze Burg. Gegen Mittag, als Reynevan und Horn ihr Verhör beendet hatten, war der ganze Burghof
mit zum Trocknen aufgehängter Wäsche geschmückt. Dabei überwogen Unterhosen. Scharley und Samson zählten – wohl aus Langeweile
– einhundertundneun Paar. Weil sie zuvor auf der Burg zweiunddreißig Burgmannen und Knechte gezählt hatten, schlossen sie
daraus, dass es auf Eulenberg Unterhosen in Hülle und Fülle gab, diese aber selten gewaschen wurden.
Die Freunde saßen auf einem Klafter Holz im Wirtschaftshof unweit des Pferdestalls und genossen die Frühlingssonne. Reynevan,
der seine Aufgeregtheit kaum verbergen konnte, berichtete ihnen von den neuesten Geständnissen während des Verhörs.
»Unglaubliche, beinahe unfassbare Geschichten erzählt dieser Bruno Schilling. Von Burg Sensenberg im Bober-Katzbach-Gebirge.
Magie gibt es dort schon seit den Zeiten der Tempelritter, die Sensenberg erbaut haben. Schilling weiß dasnicht und kann es auch nicht in Worte fassen, aber für mich als Eingeweihten gibt es keinen Zweifel daran, dass der Sensenberg
heute
theoda, spiritus purus
ist, eine Art
genius loci
der Zaubermacht eines vor langer Zeit verstorbenen mächtigen Magiers. Die
theoda
wirkt unglaublich stark auf die
mens
der Leute, die sich dort aufhalten, bei weniger widerstandsfähigen und willensschwachen Menschen kann die
mens
stark deformiert werden und sogar vollständig degenerieren. Schilling hat bestätigt, dass es Fälle einer
mentis alienatio
gegeben hat, es sind sogar unheilbare
amentia
und
paranoia
aufgetreten.«
» Amentia
und
paranoia«
, wiederholte Scharley scheinbar widerwillig, während er die Unterhosen betrachtete. »So, so. Wer hätte das gedacht.«
»Und auf dem Gebiet der Alchemie«, Reynevan ereiferte sich immer mehr, »habe ich Dinge erfahren, die einem fast den Atem rauben.
Ich habe euch doch von diesem Gift Perferro erzählt und die Metallkolloide erwähnt. Stellt euch vor, unter diesen Metallen
ist auch das von Flamel beschriebene rätselhafte
Potassium
, das einige immer noch für pure Erfindung halten. Das geheimnisvolle
Thallium,
mit dem schon Arnold de Villanova experimentiert hat, der nahe daran war, den Stein der Weisen zu finden. Unglaublich, einfach
unglaublich!«
Scharley und Samson schwiegen weiterhin, den Blick immer noch auf die Unterhosen geheftet.
»Unerhörtes und Staunenswertes hat uns Schilling auch über die Spezifika berichtet, mit denen sich die schwarzen Reiter in
Trance versetzen. Bisher hat man gemeint, dass die stärksten betäubenden und halluzinogenen Eigenschaften jene Substanzen
besitzen, die von Gabir - und Avicenna als
al-qili
beschrieben wurden und die wir in Prag Alkaloide genannt haben. Man bezeichnete sie als Extrakte aus speziellen Zauberkräutern,
und was hat sich nun gezeigt? Dass sie in einem jeden gewöhnlichen Wald
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