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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Denn du warst ja schließlich
     dabei.«
    »Ja, ich war dabei«, in Schillings grauen Augen glomm etwas seltsam auf, »aber
. . .
Ihr müsst wissen, ich stand unter dem Einfluss von Ganja und Haschisch, wir alle, wie üblich. Da weiß man nicht, ob das ein
     Traum ist oder Wirklichkeit
. . .
Aber ich habe Euren Bruder nicht erstochen, Herr von Bielau. Ich lüge nicht. Um Euch das zu beweisen, sage ich, dass ich ihn
     wohl erstechen wollte, aber ich kam einfach nicht an ihn heran. Wir waren damals zu acht, Grellenort war der neunte. Er, Grellenort,
     hat als Erster zugestoßen.«
    »Mein Bruder
. . .
«, Reynevan musste schlucken, »ist er rasch gestorben?«
    »Nein.«
    »Seid ihr immer unter Grellenorts Kommando ausgezogen, um zu töten?« Horn war der Meinung, es sei an der Zeit, einzugreifen
     und das Thema zu wechseln. »Ich weiß, dass er manchmal allein getötet hat. Eigenhändig.«
    »Er liebte es.« Der Renegat verzog das Gesicht. »Aber hauptsächlich ging es ihm darum, den Verdacht auf jemand anders zu lenken.
     Oder darum, Schrecken zu verbreiten, das Gerücht zu streuen und zu nähren, eine unreine Macht töte die Kaufleute. Einmal,
     1425, nach Mariä Lichtmess, hat Grellenort uns befohlen, einen Sattlermeister in Neisse zu töten, ich habe vergessen, wie
     er hieß; dann mussten wir rasch nach Schweidnitzreiten, um den Kaufmann Neumarkt zu erschlagen. Er, Grellenort, hat zur selben Zeit einen gewissen Pfefferkorn in der Vorhalle
     der Kirche von Falkenberg eigenhändig getötet und kurz darauf auch den Ritter Albrecht Bart von Karzen bei Strehlen. Na, und
     da haben die Leute geglaubt, der Satan habe dies getan oder einer, der mit ihm im Bunde war. Und darum ging es doch.«
    »Nach Altwilmsdorf ist Grellenort mit einer Schar von zehn Reitern gekommen«, sagte Horn. »Außer dir, der du feige geflohen
     bist, hat keiner von ihnen die Schlacht überlebt. Wie viele sind auf Burg Sensenberg zurückgeblieben?«
    »Ich bin nicht geflohen, und ein Feigling bin ich auch nicht!« Bruno Schilling reagierte außergewöhnlich heftig. »Ich habe
     Grellenort verlassen, weil ich das seit langem geplant hatte und der Augenblick günstig war. Weil ich genug hatte von all
     diesen Verbrechen. Weil ich Gottes Strafe gefürchtet habe. Weil uns Grellenort befohlen hatte,
›Adsumus‹
und
›Veni ad nos‹
zu rufen. Das haben wir getan. Wir haben
›In nomine tuo‹
gerufen, wenn wir einen umbrachten. Aber wenn wir nach dem Genuss von Ganja wieder nüchtern waren, haben wir uns gefürchtet.
     Vor der Strafe Gottes wegen der Lästerung. Und da habe ich beschlossen, alles hinzuschmeißen
. . .
Auszusteigen und Buße zu tun
. . .
Ich bin nicht von Grund auf verdorben
. . .
«
    Er lügt, dachte Reynevan. Seine Augen und sein Kopf waren plötzlich erfüllt von einer Vision, einer deutlichen und unerbittlich
     klaren Vision. Unterdrückte Schreie, Blut, der Widerschein eines Feuers auf der Schwertklinge, das Abbild Schillings auf blitzendem
     Stahl, sein grausames Gelächter. Wieder Blut, das in Strömen über die Steigbügel und die darin steckenden spitzen, eisernen
     Sabatons floss, wieder Feuer, wieder Gelächter, schaurige Flüche, Schwerter, die auf Hände einhieben, die sich an ein in Flammen
     stehendes Fenster klammerten. Er lügt. Reynevan schauderte. Er lügt. Er ist von Grund auf schlecht, er ist durch und durch
     verdorben. Nur solche zieht der Sensenberg und Grellenorts Zauberkunst an.
    »Du lügst, Schilling«, sagte Horn teilnahmslos. »Aber danach habe ich auch gar nicht gefragt. Wie viele Reiter sind auf Burg
     Sensenberg verblieben?«
    »Höchstens zehn. Aber Grellenort wird bald so viele Leute haben, wie er braucht. Wenn er sie nicht schon hat. Er hat Mittel
     und Wege gefunden.«
    »Welche?«
    Der Renegat öffnete den Mund, er wollte etwas sagen, aber er begann nur zu stottern. Er warf einen schnellen Blick auf Reynevan,
     dann wandte er sich rasch ab.
    »Er zieht sie an, Herr Horn. Er zieht sie an sich heran
. . .
manche
. . .
Er zieht sie an wie
. . .
Na
. . .
Wie
. . .
«
    »Wie das Licht die Motten?«
    »Ja, genau so.«
     
    Der Zug, den die Eulenberger Mannen in Richtung Süden unternommen hatten, musste erfolgreich und einträglich gewesen sein.
     Die Knechte kehrten fröhlich zurück und freuten sich jetzt umso mehr. Einige von ihnen, wie man dem merkwürdigen Zeug entnehmen
     konnte, das sie da sangen und brabbelten, waren dabei, vor Freude fast den Verstand zu verlieren.
     
    Tři věci na

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