Lux perpetua
riss ihr die wollene
braccae
vom Hinterteil und drückte sich heftig gegen das Mädchen. Douce zitterte vor Erregung. Und dann schrie sie auf. Laut.
Schmerz und Leidenschaft zugleich lagen in diesem Schrei.
»Irgendetwas ist im Gange«, wiederholte Grajcarek und drehte seine Kappe in den Händen. »In der Stadt sind mehrere seltsame
Leute gesehen worden. Gefährlich aussehende
. . .
«
»Rede!« Der Bischof wurde ungeduldig. »Spuck es endlich aus, zum Teufel noch mal!«
»In der Stadt munkeln sie, dass sich Herr von Grellenort bei vielen die Gunst verscherzt hat. Dass viele ihm Böses wünschen.
Sogar sehr Böses.«
»Das ist nicht gerade eine Neuigkeit für mich.«
»Und dann noch
. . .
« Der Spion hüstelte, die Faust vor dem Mund. »Euer Hochwürden verzeihen, dass ich das sage.«
»Ich verzeih’ schon. Rede.«
»Sie sagen, dass die Verwandten in Breslau zusammenkommen
. . .
Die Verwandten derjenigen, die getötet wurden
. . .
des Herrn Bart von Karzen
. . .
des Herrn Czambor von Heißenstein
. . .
Denn in der Stadt geht das Gerede, dass Herr von Grellenort
. . .
Dass er schuld ist an diesen Morden
. . .
«
Der Bischof schwieg und spielte mit der Feder.
»Euer Gnaden«, beendete der Spion die Stille, »ich bin der Ansicht
. . .
«
»Hä?«
»Man sollte Herrn von Grellenort warnen. Aber Euer Gnaden wissen wohl selbst am besten, was zu tun ist
. . .
«
Der Bischof schwieg, spielte mit seiner Feder und biss sich auf die Lippen.
»Du hast recht«, antwortete er schließlich. »Ich weiß es am besten.«
Die Glocken von St. Jakob hatte schon vor geraumer Zeit zur Komplet geläutet, jetzt begannen die Mönche im Chor mit dem
Salve Regina
, wie man hören konnte. Jeden Moment mussten auch die späten Glockentöne erklingen, der
pulsus serotinus
, jeden Moment konnte man auch das
ignitegium
erwarten.
Die Kerzen in der Stube waren schon erloschen, ein schwaches Licht kam von dem Feuerbecken, in dem dicke Holzscheite glühten.
Der rote Widerschein verlieh der hellen Haut und dem schlanken Körper Douce von Packs, die inmitten von zerwühlten Betttüchern
lag, eine geradezu magische Schönheit. Auf seinen Ellenbogen gestützt, blickte der Mauerläufer auf das Mädchen herab, in ihre
weit aufgerissenen, auf ihn gehefteten Augen. Er erinnerte sich an das Feuer anderer, die Augen anderer, die nackten Körper
anderer, an heftigen, durch Schmerz berauschenden Sex mit anderen. An die Sabbate und Orgien im Harz, auf den Waldwiesen Pommerns,
in den Höhlen der Alpujarras und in der öden Weite der Extremadura. Wo die Erde dröhnte vom Klang der Trommeln und wo in der
vom Trillern der Pfeifen zerrissenen Nachtluft Fledermäuse und Eulen vorbeihuschten.
Ein leichenblasser Mond lugte durch das Fenster.
Es war falsch, dass ich mich mit ihr vereinigt habe. Ich habe sie angelockt, angezogen, das war ein Fehler. Ein Fehler, den
man beseitigen muss.
Douce von Pack seufzte und richtete sich auf. Der Mauerläufer blickte unwillkürlich auf ihren Hals, rasch schätzte er ab,
wie er ihn fassen und umdrehen könnte.
Zwei Griffe würden genügen, dachte er. Und das Blitzen in ihren Augen würde verlöschen
. . .
. . .
Söhnchen, tönte es plötzlich in seinem Kopf. Er setzte sich im Bett auf.
Söhnchen, sagte Kundrie, komm sofort her. Ich will dir unbedingt etwas zeigen, etwas, das mit der Suche nach dem Mädchen in
Verbindung steht. Ich warte. Komm!
Von wegen, dachte er. Dem Ungeheuer ist ganz einfach das
aurum potabile
ausgegangen. Aber was half’s, er würde wohl gehen müssen. Sie war die Mutter, ob er wollte oder nicht.
»Was ist los?« Douce setzte sich auf und strich sich das Haar aus der Stirn. Das Feuer im Becken spielte mit den Schatten
auf ihren kleinen Brüsten. Es tanzte in ihren weit aufgerissenen Augen.
»Was ist geschehen? Gehst du weg?«
»Ja. Ich komme erst spät wieder zurück.«
»Du lässt mich allein?«
»Aber nicht jetzt.«
Er packte sie bei den Schultern. Drückte sie in die Kissen. Sie gab nach, zum Nachgeben gezwungen. Und sie liebten sich bis
zur Raserei.
Im Widerschein der Glut und im fahlen Licht des leichenblassen Mondes.
Stadtluft macht frei, erinnerte sich der Mauerläufer, während er, von der Sandbrücke kommend, die Burgstraße hinunterging.
Dass in Breslau diverse Geschöpfe der Nacht hausten, war zumindest für ihn nichts Neues. Allerdings war es schon einige Zeit
her, dass er nach der Abenddämmerung das letzte Mal hier
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